100 Tage Trump
Sind schon zu viel?
(29.04.2025) Er polarisiert, er dreht sich wie ein Fähnchen im Wind, er hat von Wirtschaft und Diplomatie keine Ahnung, so lautet der Tenor der Kritiker der letzten Wochen. Wußten wir doch schon alles, sagst du dir? Ja, aber es gibt noch immer viele Trump Unterstützer, er selbst ist von seiner Großartigkeit am allermeisten überzeugt. US-Präsident Donald Trump will die ersten 100 Tage seiner zweiten Amtszeit in der Nacht auf Mittwoch (MESZ) in Michigan mit einer öffentlichen Veranstaltung feiern. Vor dem Auftritt im Autostaat will er Maßnahmen verkünden, um die Folgen der jüngsten Sonderzölle für die US-Autoindustrie abzuschwächen. In Michigan sind große Autokonzerne wie GM und Ford sowie 1.000 Zulieferer beheimatet. Trump hat mit den Zöllen nach eigenem Bekunden die Weichen gestellt, um das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten mit anderen Ländern auszugleichen und zahlreiche Firmen in die USA zu locken. Neben den Zöllen plant Trump auch Steuersenkungen und einen Abbau von Vorschriften für Unternehmen.
In Europa wird indes eine kritische Bilanz der ersten 100 Tage von Trumps Amtszeit gezogen. Der EU-Abgeordnete Andreas Schieder (SPÖ) teilte am Dienstag mit, man komme "aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus". "Trump hat seit Jänner keine Gelegenheit ausgelassen, Chaos zu kreieren", sagte der SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament. Die EU müsse die richtigen Konsequenzen ziehen. "Nur wenn wir stark sind, bieten wir keine Angriffsfläche für Trump." Zu einer klaren Haltung der EU gegenüber der Trump-Regierung rief auch die Umweltorganisation Greenpeace auf. Dass Trump "die Abrissbirne beim Klima- und Umweltschutz" schwinge, dürfe keine Ausrede für andere Länder sein, ebenso Klimaschutzmaßnahmen abzuschwächen, so Greenpeace-Expertin Jasmin Duregger.
US-Präsident Donald Trump ist für ebenso markige wie provokante Sprüche bekannt. In den 100 Tagen seit seinem Amtsantritt am 20. Jänner hat er damit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Ein Überblick über bekannt gewordene Zitate, die seine Politik widerspiegeln:
"Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder großartig zu machen."
In seiner Antrittsrede am 20. Jänner nimmt Trump, der im Wahlkampf bei einem Attentat verletzt wurde, eine göttliche Vorsehung für sich in Anspruch. An seinem ersten Tag zurück im Weißen Haus unterzeichnet der Republikaner eine Rekordzahl von 26 Dekreten, beschließt dabei unter anderem den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und begnadigt die Kapitol-Angreifer, die im Jänner 2021 den Kongress gestürmt hatten.
"Ein Diktator ohne Wahlen, Selenskyj sollte sich besser beeilen, oder er wird kein Land mehr haben."
Mit einer wüsten Attacke auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf seiner Onlineplattform Truth Social macht Trump am 19. Februar klar, dass die USA im Ukraine-Krieg eine Kehrtwende vollziehen. Er fordert Selenskyj zu Zugeständnissen auf dem Weg zu einem Ende des Ukraine-Krieges auf und nähert sich russischen Positionen an. Zu einem Eklat kommt es am 28. Februar, als Trump und sein Stellvertreter JD Vance den ukrainischen Präsidenten im Weißen Haus vor laufenden Kameras abkanzeln.
Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, mit dem Trump am 12. Februar nach jahrelanger diplomatischer Eiszeit telefoniert, findet der US-Präsident für gewöhnlich freundlichere Worte. Trumps Sonderbeauftragter Steve Witkoff sagt gar, Putin sei ein "großartiger Anführer" und "kein schlechter Kerl".
"Die Riviera des Nahen Ostens, es könnte so großartig werden."
International für Fassungslosigkeit sorgt Trump mit seinem Plan, den Gazastreifen unter US-Kontrolle zu bringen und als eine Art riesiges Küsten-Resort neu aufzubauen. Der US-Präsident stellt das Vorhaben am 4. Februar bei einer Pressekonferenz an der Seite des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu im Weißen Haus vor. Die mehr als zwei Millionen im Gazastreifen lebenden Palästinenser sollen nach Trumps Vorstellungen von anderen Ländern wie Ägypten und Jordanien aufgenommen werden.
"Die Europäische Union wurde gegründet, um die Vereinigten Staaten abzuzocken."
Bei seiner ersten Kabinettsitzung am 26. Februar macht Trump deutlich, dass er dem transatlantischen Bündnis wenig Bedeutung beimisst. Er sieht die Europäer weniger als Partner denn als Handelsrivalen - was sich auch in seiner Zollpolitik niederschlägt. Knappe zwei Wochen zuvor, am 14. Februar, hatte Trumps Stellvertreter JD Vance mit einer Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz für fassungslose Reaktionen gesorgt, in der er die europäischen Staaten scharf attackierte.
"Kanada sollte unser geschätzter 51. Bundesstaat werden."
Trump spricht sich wiederholt dafür aus, den USA den nördlichen Nachbarn Kanada einzuverleiben, unter anderem im Februar in seinem Onlinedienst Truth Social. Bei den Kanadiern sorgt das für wütende Reaktionen. Ein anderes Objekt von Trumps geopolitischer Begierde ist Grönland: "Wir brauchen Grönland für die internationale Sicherheit. Wir müssen es haben", sagt der US-Präsident im März. Aus Grönland und Dänemark kommt scharfer Widerspruch.
"Diese Länder rufen uns an und kriechen mir in den Arsch."Anfang April verhängt Trump massive Zölle gegen nahezu alle Handelspartner der USA und schickt damit die Börsen auf Talfahrt. Bei einem Treffen mit republikanischen Parlamentariern frohlockt der Präsident am 8. April mit einer derben Formulierung, zahlreiche Länder wollten neue Handelsbedingungen mit seiner Regierung aushandeln. Allerdings muss Trump angesichts der Panik von Anlegern mehrere Rückzieher in seiner aggressiven Zollpolitik machen.
"Dieser Richter (...) sollte seines Amtes enthoben werden."
Im Streit um die Abschiebung von hunderten Venezolanern nach El Salvador attackiert Trump Mitte März auf seiner Onlineplattform Truth Social den US-Bundesrichter James Boasberg. Dieser hatte die Abschiebung angeblicher Mitglieder einer venezolanischen Drogengang auf Grundlage eines Gesetzes gegen "ausländische Feinde" aus dem Jahr 1798 untersagt. Die Abschiebung erfolgte trotzdem. Trumps radikale Abschiebepolitik wird wiederholt von Richtern als regelwidrig eingestuft, was zu einem verschärften Konflikt zwischen Regierung und Justiz führt. Jubel oder Buh-Rufe am Mittwoch in Michigan? Wir werden es erleben.
(fd/apa)