Biden: "Zeit für neue Generation"

Harris for president

(25.07.2024) US-Präsident Joe Biden hat seinen Ausstieg aus dem Präsidentschaftsrennen in einer Rede an die Nation mit der "Verteidigung der Demokratie" begründet. Diese sei "wichtiger als jeder Titel", so Biden im Oval Office des Weißen Hauses. Er habe entschieden, dass der beste Weg nach vorne darin bestehe, die "Fackel an eine neue Generation" weiterzugeben und so die Nation zu vereinen, so der 81-Jährige und kündigte an, sich nun ganz seinen Aufgaben als Präsident widmen zu wollen.

Er schöpfe Kraft daraus und finde Freude daran, für das amerikanische Volk zu arbeiten. Aber dabei ginge es nicht um ihn, so der Demokrat. "Es geht um Sie. Um Ihre Familien. Ihre Zukunft." Es sei Zeit "für neue Stimmen, frische Stimmen, ja, jüngere Stimmen", sagte Biden. Diese Zeit sei jetzt gekommen. "Nichts kann der Rettung unserer Demokratie im Wege stehen, auch nicht persönlicher Ehrgeiz", betonte er. In den vergangenen Wochen sei ihm klar geworden, dass er seine Partei vereinen müsse, so der Demokrat.

Die Nation stehe vor einer entscheidenden Wahl zwischen Hoffnung Hass. "In Amerika herrschen keine Könige oder Diktatoren. Das Volk regiert. Die Geschichte liegt in Ihren Händen. Die Macht liegt in Ihren Händen", sagte der US-Präsident. Erneut bekräftigte Biden seine Unterstützung für Vizepräsidentin Kamala Harris, die statt Biden gegen Donald Trump das Rennen um die nächste Präsidentschaft machen soll. Sie sei "erfahren, hartnäckig und fähig".

Fokus auf Aufgabe als Präsident

Nach seinem Rückzug aus dem aktuellen Wahlkampf will sich Biden ganz seinem Amt im Weißen Haus widmen. "In den nächsten sechs Monaten werde ich mich darauf konzentrieren, meine Aufgabe als Präsident zu erfüllen", sagte der Demokrat. Er forderte eine Reform des Supreme Court an, ohne Details zu nenne. Außenpolitisch bekräftigte er die weitere Unterstützung für die Ukraine und sein Engagement für ein Ende des Krieges in Gaza. Er werde weiter gegen die Klimakrise ankämpfen und die NATO zusammenhalten. Zudem wolle er weiter daran arbeiten, die Preise für Verbraucher zu senken, die Wirtschaft anzukurbeln, persönliche Freiheitsrechte und Bürgerrechte zu verteidigen.

Biden schlug in seiner Ansprache nachdenkliche Töne an. "Es ist das Privileg meines Lebens, dieser Nation seit über 50 Jahren zu dienen", sagte er. Nirgendwo sonst auf der Welt könne ein Kind mit einem Stotter-Problem aus bescheidenen Verhältnissen zum höchsten Amt im Staat aufrücken. "Hier bin ich nun. Das ist es, was Amerika so besonders macht", sagte Biden.

Reden zur besten Sendezeit aus dem Oval Office sind krisenhaften Momenten und großen Zäsuren im Land vorbehalten. Es war die vierte Ansprache dieser Art in Bidens Amtszeit seit Jänner 2021. Zuletzt hatte er sich zehn Tage zuvor nach dem Attentat auf seinen Amtsvorgänger und langjährigen politischen Kontrahenten Trump auf diese Weise an die Nation gewandt. Auch das veranschaulicht, wie sehr der aktuelle Präsidentschaftswahlkampf mit seinen dramatischen Wenden hervorsticht.

"zweite Amtszeit verdient"

Die Rede dürfte dem Vollblutpolitiker Biden nicht leicht gefallen sein. "Ich glaube, dass meine Leistungen als Präsident, meine Führungsrolle in der Welt und meine Vision für die Zukunft Amerikas eine zweite Amtszeit verdient haben", gab Biden unverblümt zu. In US-Medien heißt es, dass Bidens Berater ihn letztlich mit Umfrageergebnissen konfrontiert hätten, nach denen die Demokraten bei der Wahl im November in Staaten verloren hätten, die ihnen eigentlich sicher sind. Das soll Biden schließlich zum Umdenken bewegt haben. In einem TV-Interview vor einigen Wochen hatte er noch gesagt, nur Gott könne ihn zum Rückzug bewegen. Nun waren es wohl doch nackte Zahlen.

Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versammelten sich im Weißen Haus, um die Rede Bidens zu schauen. Es handle sich wohl um die wichtigste Rede, die Biden nie habe halten wollen, sagte CNN-Journalistin Dana Bash. Unter den Angestellten sollen Medien zufolge Tränen geflossen sein, am Ende habe es großen Applaus gegeben.

Bei der Ansprache im Oval Office war auch Bidens Familie zugegen. Seine Angehörigen gelten als seine engsten Vertrauten und sollen ihn lange darin bestärkt haben, an der Kandidatur festzuhalten. Bidens Ehefrau Jill veröffentlichte einen handgeschriebenen Brief in den sozialen Medien. "Danke für das Vertrauen, das ihr in Joe gesetzt habt - jetzt ist es an der Zeit, dieses Vertrauen in Kamala zu setzen", schrieb sie.

Harris früher nominiert

Die US-Demokraten stimmten unterdessen am Mittwoch dafür, Harris bereits vor dem Parteitag Mitte August auf virtuellem Weg als Präsidentschaftskandidatin zu bestimmen. Falls sich nur eine Person zur Wahl stelle, könne eine elektronische Abstimmung frühestens am 1. August starten, teilte die Partei mit. Sollte es mehrere Anwärter geben, beginne die Abstimmung ein paar Tage später. Hintergrund sind Sorgen über Fristen in den Bundesstaaten, bis wann die Parteien ihre Kandidaten bestätigt haben müssen.

Als Stadtrat begonnen

Der Jurist begann seine Politiker-Karriere im Stadtrat von Wilmington im Bundesstaat Delaware. Schließlich vertrat er den Bundesstaat fast vier Jahrzehnte im US-Senat, bis er 2009 mit als Barack Obamas Vize ins Weiße Haus einzog. 1988 und 2008 hatte sich Biden selber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten beworben - ohne Erfolg. Im Jahr 2000 erfüllte sich schließlich sein Lebenstraum - er gewann die Wahl gegen Trump und wurde Präsident der Vereinigten Staaten. Sein Leben war von Schicksalsschlägen überschattet. Er verlor seine erste Ehefrau und die gemeinsame Tochter bei einem Autounfall. Sein Sohn Beau starb 2015 an einem Hirntumor.

Im Vorfeld der Rede hat das Weiße Haus Rücktrittsforderungen an Biden als "lächerlich" zurückgewiesen. Es sei "lächerlich" zu fordern, dass Biden nach seinem Ausstieg aus dem Rennen um das Weiße Haus nun auch vom Präsidentenamt zurücktreten müsse, sagte seine Sprecherin Karine Jean-Pierre am Mittwoch. "Jede Andeutung dieser Art ist lächerlich und entspricht nicht unseren Vorstellungen." Bidens Entscheidung habe "nichts mit seiner Gesundheit zu tun", fügte sie hinzu.

(APA/JuF)

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