Klimaschutz-Bollwerk Lützerath
Räumung wird vollzogen
(11.01.2023) Heute Früh ist die Polizei in das kleine Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen eingedrungen, das sich dem Braunkohletagebau widersetzt. Um 8.40 Uhr geht dann alles ganz schnell. Polizisten mit Helmen und Schilden stürmen über den Wall, hinter dem sich Klimaaktivisten aufgebaut haben. Es gibt einige Rangeleien, dann weichen die Frauen und Männer in den weißen Maleranzügen zurück. Die Aktion verläuft zunächst unerwartet reibungslos.
Minuten später ziehen lange Polizeikolonnen in den Ort ein, den die Aktivisten viele Wochen lang verteidigen wollten. Das Einzige, was man zeitweise hört, ist die Musik eines alten Klaviers, an dem ein vermummter junger Mann spielt. Ab und zu gibt es einen Knall, dann ist irgendwo Pyrotechnik gezündet worden. Die Polizei sagt, dass die Aktivisten Molotowcocktails werfen. Im Großen und Ganzen aber bleibt es - gemessen an den vorher mitunter geäußerten Erwartungen - zunächst friedlich. Schon nach kurzer Zeit steht die Polizei überall im Dorf, das allerdings auch sehr überschaubar ist. Mittendrin flattert am Mittag noch stumm ein Banner: "Überall Polizei, nirgendwo Gerechtigkeit."
Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), behauptet sogar, dass es sich gar nicht um ein Dorf handle. "Das sind drei Häuser" hat er noch am Vortag erklärt, auch wenn es natürlich ein paar mehr sind. Was er auch sagte: "Die Klima-Befürworter, also die Menschen, die da unterwegs sind, haben einen Riesenerfolg erreicht in den letzten Jahren." Damit meint er den Kohleausstieg bis 2030. "Und jetzt geht es um ein klitzekleines Teil. Man kann sagen: Ein Kompromiss soll jetzt umgesetzt werden." Das sehen die Aktivisten natürlich anders. "Hier sind 280 Millionen Tonnen Kohle im Boden", sagt Aktivistin Lakshmi. Wenn die vom Energiekonzern RWE abgebaggert würden, könne Deutschland seine Klimaziele nicht mehr erreichen.
Die Polizisten sind mittlerweile bis an den Erdwall kurz vor dem Ortseingang herangerückt und schauen den Aktivisten direkt in die Augen. Gegen die Kälte haben sich die Lützerath-Verteidiger teils in goldfarbene Warmhaltedecken eingewickelt, was sie in Kombination mit ihren weißen Ganzkörperanzügen und Gesichtsmasken wie Alien-Darsteller aussehen lässt. Ein Aktivist appelliert an sein Gegenüber: "Dieser Einsatz kann ja wohl nicht der Grund sein, dass Sie Polizist geworden sind!"
Die Tage von Lützerath sind gezählt
Geradezu feierlich wird es, als die christliche Fraktion unter den Aktivisten inmitten von stimmungsvoll flackernden Kerzen ein Kirchenlied anstimmt: "Von guten Mächten wunderbar geborgen..." Die schmiedeeisernen Gitter in ihrem Rücken sind Reste einer alten Kapelle und erinnern daran, dass Lützerath seit dem frühen Mittelalter besiedelt ist. Das sind fast 1.000 Jahre Geschichte. Doch seit diesem Mittwoch werden die wenigsten noch daran zweifeln, dass seine Tage gezählt sind.
(apa/fd)