Wien: Opfer in U-Haft?
Notwehr oder Rache?
(24.09.2024) Am 14. November beginnt der Prozess gegen ein 15-jähriges Mädchen aus Graz, das wegen versuchten Mordes angeklagt ist. Die Jugendliche hatte Anfang Juni einem Gleichaltrigen in der Grazer Innenstadt mit einem Messer in das Gesäß gestochen. Der Angriff soll aus Rache geschehen sein, nachdem das Mädchen zuvor selbst Opfer schwerster Misshandlungen durch eine Mädchenbande geworden war.
Im Februar erlitt die damals 14-Jährige unsägliche Gewalt: In einem verlassenen Gebäude wurde sie von mehreren Mädchen brutal geschlagen, getreten und mit einer Eisenstange malträtiert. Die Täterinnen zwangen sie, sich auszuziehen, und verbrannten ihre Kleidung und Haarspitzen. Die schockierenden Szenen wurden aus mehreren Perspektiven gefilmt und auf Social-Media-Plattformen veröffentlicht. Laut Staatsanwaltschaft ist im Hintergrund der Videos immer wieder lautes Lachen zu hören.
War es Rache?
Nach diesen traumatischen Erlebnissen entschied sich die Jugendliche offenbar, sich zu rächen. Am 3. Juni suchte sie gezielt ein Mitglied der Mädchenbande auf und verlangte eine Entschuldigung. Als diese verweigert wurde, stach die 15-Jährige mit einem Messer zu. „Es ist nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass keine lebenswichtigen Blutgefäße oder Organe verletzt wurden“, heißt es in der Anklageschrift. Die Anklage lautet auf versuchten Mord.
Oder Selbstverteidigung?
„Meine Mandantin wollte niemanden töten. Sie war verzweifelt und fühlte sich von der Justiz im Stich gelassen“, so ihr Anwalt Frank Carlo Gruber. Trotz der schweren Misshandlungen, die das Mädchen erleiden musste, sind die Täterinnen weiterhin auf freiem Fuß. Der Prozess gegen die 15-Jährige beginnt am 14. November in Graz. Ihr drohen bis zu zehn Jahre Haft. Der Fall sorgt für großes Aufsehen und wirft Fragen nach dem Umgang der Justiz mit jugendlichen Opfern und Tätern auf.
(fd)