UNO: Droht der „Klimakollaps“?
Welt steuert auf 2,8 Grad zu!
(04.11.2025) Die Erde erwärmt sich schneller, als es die internationale Gemeinschaft bislang erwartet hat. Nach dem neuen Bericht des UNO-Umweltprogramms (UNEP) ist die Welt mit der derzeitigen Klimapolitik auf dem Weg zu einer Erwärmung um 2,8 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts – weit über dem Ziel des Pariser Klimaabkommens.
1,5 Grad-Marke kurz vor Überschreitung
Laut den Vereinten Nationen wird das 1,5-Grad-Ziel sehr wahrscheinlich schon in den nächsten zehn Jahren überschritten. Das heißeste Jahr 2024 habe den Wert bereits temporär übertroffen. Selbst bei vollständiger Umsetzung aller nationalen Klimaschutzpläne (NDCs) dürfte sich die Erde bis 2100 um 2,3 bis 2,5 Grad erwärmen. UNO-Generalsekretär António Guterres sprach von einem drohenden „Klimakollaps“. Um das 1,5-Grad-Ziel noch einhalten zu können, müssten die globalen Emissionen bis 2035 um 55 Prozent gegenüber 2019 sinken – tatsächlich gehen sie aber weiter leicht nach oben.
Wissenschaft warnt vor kritischen Kipppunkten
Eine neue Studie im Fachmagazin Nature Climate Change, durchgeführt vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg, zeigt, wie eng die planetaren Belastungsgrenzen bereits überschritten werden. Die Forschenden untersuchten vier entscheidende Faktoren: globale Erwärmung, Ozeanversauerung, Meeresspiegelanstieg und das Abschmelzen des arktischen Meereises.
Thomas Gasser, Leitautor der Studie, erklärte:
„Unsere Analysen zeigen, dass selbst unter sehr optimistischen Annahmen die Wahrscheinlichkeit, alle vier Grenzen einzuhalten, nur bei etwa 35 Prozent liegt.“
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler simulierten Millionen möglicher Klimapfade. In einem bestmöglichen Szenario – mit einem globalen Emissionshöhepunkt bis 2030, Netto-Null bis 2050 und massiver CO₂-Entnahme – bleibe die Wahrscheinlichkeit, unter zwei Grad zu bleiben, laut Gasser „mit rund 80 Prozent relativ hoch“. Ohne CO₂-Entnahme oder großflächige Aufforstung seien die Treibhausgas-Budgets jedoch bald aufgebraucht.
Gasser betonte außerdem, dass technische Maßnahmen zur Reduktion der Sonneneinstrahlung oder zur CO₂-Abscheidung nur begrenzte Wirkung hätten:
„Diese Technologien könnten das Tempo der Erwärmung bremsen, aber sie lösen nicht das Problem der Ozeanversauerung. Dafür zählt einzig die Verringerung der CO₂-Konzentration in der Atmosphäre.“
Während die wissenschaftlichen Warnungen deutlicher werden, verläuft die politische Umsetzung schleppend. Die G-20-Staaten, die für den Großteil der Emissionen verantwortlich sind, verfehlten auch 2024 ihre Klimaziele. Besonders bei fossilen Energieträgern stiegen die Emissionen zuletzt leicht an. In Europa ringen die Umweltminister der EU derzeit um ein gemeinsames Ziel für 2040: eine Reduktion der Emissionen um 90 Prozent gegenüber 1990. Österreichs Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) fordert dafür „passende Rahmenbedingungen“, etwa flexiblere Regelungen im Emissionshandel.
Österreichs Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) kündigte an, dem Ziel nur zuzustimmen, „wenn die Rahmenbedingungen passen“. Dabei fordert er mehr Flexibilität im Emissionshandel, einen verpflichtenden Netto-Null-Pfad für alle Mitgliedsländer und Maßnahmen, die auch den Wirtschaftsstandort, Arbeitsplätze und Ernährungssicherheit berücksichtigen. Der Beschluss gilt als entscheidend vor dem Weltklimagipfel COP30 in Belém (Brasilien), der am 10. November beginnt. Dort will die EU mit klaren Zusagen auftreten.
Die Uhr tickt!
Während die globale Erwärmung unaufhaltsam voranschreitet, wächst die Kluft zwischen wissenschaftlicher Dringlichkeit und politischem Tempo. Die Botschaft der Forschenden ist eindeutig: Das Zeitfenster, um den Planeten stabil zu halten, wird immer kleiner. „Die Uhr tickt“, mahnt Thomas Gasser. „Je länger wir warten, desto kleiner wird die Chance, unter zwei Grad zu bleiben.“
(fd/apa)