Viele Faktoren bei Amoklauf
Einsamkeit, Mobbing, Wut
(10.06.2025) Anders als in den USA, wo Schießereien an Schulen traurige Alltagsrealität sind, ist das in Österreich ein Novum. Die Attacke in einer Grazer Schule am Dienstag stellt mit zehn Toten den schwerwiegendsten derartigen Anschlag in der Geschichte Österreichs dar. Bei den meist männlichen Tätern handelt es sich oftmals um von Mobbing Betroffene. Das dürfte auch auf jenen Mann zutreffen, der am Dienstag in seiner ehemaligen Schule das Feuer eröffnete.
"Anders als bei Terroranschlägen, gehen die Täter bei einem Amoklauf gar nicht so wahllos vor", erklärte die Kriminalanalytikerin Patricia Staniek im Gespräch mit der APA. Sie wählen ihr Ziel ganz bestimmt aus. "Amok ist ein psychischer Ausnahmezustand krankhafter Verwirrung. Amok beschreibt den Zustand ziellosen Handelns, meistens einer Einzelperson. Allerdings ist Amok bereits immer lange geplant." Grundsätzlich lässt sich über Amokläufe sagen: "Es ist ein komplexes und sehr vielschichtiges Phänomen, das sich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen lässt." Dennoch gibt es mehrere Faktoren, die bei vielen Amokläufern beobachtet werden können.
Einsamkeit und Mobbing
Nicht alle, aber viele Täter würden eine schwierige Kindheit und Jugend durchlaufen, erklärt die Expertin. "Bei manchen ist Bedeutungslosigkeit und somit ein geringes Selbstwertgefühl ein Thema. Oder aber auch Unterlegenheit den Anderen gegenüber, das Gefühl von Minderwertigkeit oder Mobbing." Viele würden ein Gefühl der "Ohnmacht" erleben, der Wunsch nach Kontrolle des Lebens könne in gewalttätigen Fantasien und im Endeffekt deren Umsetzung enden.
Viele Betroffene von Mobbing-Erfahrungen würden diese als extreme Kränkungen wahrnehmen. Oftmals entstehe dann eine Art Selbstradikalisierung sowie Tatverpflichtung. Außerdem hätten viele Täter den Gedanken, durch die Tat wichtig oder bedeutend zu werden, und sich so in die Gesellschaft "einzubrennen". Die Expertin geht anhand derzeitiger Information auch davon aus, dass bei dem Täter in Graz Mobbing einen Teil des Tatmotivs darstellt.
Psychische Erkrankungen können Gründe sein
Immer wieder ist im Zusammenhang mit Amokläufen von psychisch erkrankten Menschen die Rede. "Psychische Erkrankungen sind immer plausible Erklärungen für die Menschen. Es gibt Amokläufer, die tatsächlich unter diesen leiden, wie etwa Schizophrenie. Manche haben Persönlichkeitsstörungen und manche psychische Erkrankungen. Das erklärt aber auch noch nicht alles", betonte Staniek. Im Moment der Tat würden sich die Täter immer in einem psychischen Ausnahmezustand befinden.
Traurige Alltagsrealität sind Amokläufe an Schulen in den USA. Tief im kollektiven Gedächtnis der US-Amerikaner verankert ist der Anschlag auf die Columbine Highschool im Bundesstaat Colorado, bei dem zwei Abschlussklässler im April 1999 zwölf Schüler, einen Lehrer und sich selbst erschossen. Der Massenmord war über Monate geplant.
Eine Schulschießerei pro Woche in den USA
Viele Täter in den Jahren danach nannten das Schulmassaker als Inspiration für ihre eigene Tat, weshalb der nach der Tat verzeichnete Anstieg an Schulschießereien häufig als "Columbine-Effekt" bezeichnet wird. Seit dem Jahr 2000 starben in den Vereinigten Staaten 462 Personen bei 574 Schulschießereien. Allein in den vergangenen drei Jahren starben mehr als hundert Menschen bei über 150 Schießereien. Begleitet sind Schulschießereien stets von der Debatte um strengere Waffengesetze. Die National Rifle Association, die Waffenlobby, hat in den USA großen Einfluss auf die Politik. US-Präsident Donald Trump gilt als Gegner strengerer Gesetze und beruft sich dabei auf das "Second Amendment", jenen Verfassungszusatz, der das Recht auf freien Waffenbesitz regelt. Statt strengeren Waffengesetzen resultierten Amokläufe häufig in Sicherheitschecks vor Schulen oder bewaffnetem Lehrpersonal.
(fd/apa)