Wien: Mord an Obdachlosen

12-Jahre Haft für Schüler

(18.11.2024) Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, wird es aber wohl schon bald sein. Ein 18-Jähriger ist am Montagabend am Wiener Landesgericht wegen Doppelmordes an zwei wohnungslosen Männern, versuchten Mordes an einer unterstandslosen Frau und schwerer Körperverletzung zulasten seiner Mutter zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Zudem wurde er aufgrund einer schwerwiegenden und nachhaltigen Persönlichkeitsstörung und seiner damit verbundenen Gefährlichkeit in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen.

Der zu den Tatzeitpunkten 16-Jährige entging mit der verhängten Strafe recht deutlich der Höchststrafe, die bei ihm nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) bei 15 Jahren gelegen wäre. Das Gericht billigte ihm neben den Erschwerungsgründen - der vorsitzende Richter erwähnte in diesem Zusammenhang "verwerfliche Beweggründe" und das Ausnützen der Wehrlosigkeit der schlafenden Opfer - mehrere Milderungsgründe zu. Besonders der "Beitrag zur Wahrheitsfindung" - der Bursch hatte sich selbst der Polizei gestellt - und die detaillierten Angaben zum jeweiligen Tathergang wurden neben der bisherigen Unbescholtenheit, der herabgesetzten Dispositionsfähigkeit und "mindergünstigen Erziehungsverhältnissen" zugunsten des jungen Mannes berücksichtigt.

"Ich nehme die Strafe an und danke den Geschworenen. Ich werde meine Chance nützen", reagierte der 18-Jährige. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Dem Burschen war vorgeworfen worden, im Sommer 2023 innerhalb weniger Wochen zwei schlafende Wohnungslose mit einem Messer vorsätzlich getötet und eine unterstandslose Frau schwer verletzt zu haben. "Ich bekenne mich schuldig", zeigte sich der 18-Jährige in der Verhandlung umfassend geständig. Er habe "schwere Fehler gemacht", bitte "um die Einweisung" und habe "den Willen, mich zu bessern", lauteten seine Schlussworte.

Geständnis

"Ich hab es gemacht. Ich bereue es", ging der junge Mann in seiner Beschuldigteneinvernahme ausführlich auf die inkriminierten Morde ein. "Wenn ich schon entscheide über Leben und Tod, muss ich das machen", erläuterte er. Er sei "in eine Art Blutrausch verfallen." Er habe sich "vor jeder Tat dreckig gefühlt und schmutzig. Ich musste komplett sauber sein, frisch geduscht, gesäubert." Er sei "ein dummer Mensch gewesen, der durch die Gegend geht und Menschen umbringt." Das habe ihn schon "eine längere Phase, zwei bis drei Monate beschäftigt" gehabt. Der Gedanke habe ihn "nicht mehr losgelassen."

"Gefühl von Erfüllung"

"Es waren nicht gezielt obdachlose Menschen", betonte der Angeklagte. Er habe den Opfern "nicht in die Augen schauen können. Ich konnte nicht das Leiden im Gesicht sehen. Es waren schlafende Menschen." Nach dem ersten vollendeten Mord habe ihn "ein Gefühl von Erfüllung" überkommen: "Das Opfer sollte sterben." Er habe sich "einerseits schlecht gefühlt. Andererseits war es ein Reiz, den ich noch nie gespürt habe. Irgendwie hat es mir das gegeben, was ich gesucht habe." "Der kleine Teufel hat die Oberhand gehabt", bemerkte der Angeklagte. "Der große Teufel", korrigierte der vorsitzende Richter Andreas Hautz.

Emotionen

Nach dem ersten Tötungsdelikt habe er eine weitere "schlafende, hilflose Person gesucht", erzählte der Angeklagte. "Beim ersten Mal hat's mir geholfen", meinte er zu seinen Beweggründen. Nach dem zweiten Mal sei er "im Zwiespalt" gewesen und habe sich "scheiße, was habe ich gemacht" gedacht. Er habe sich seine Festnahme ausgemalt "und wie ich in einem Loch (gemeint: im Gefängnis, Anm.) sitz' und man mich vergisst." Beim dritten Tötungsdelikt, speziell "beim Zustechen" habe er sich "nur mehr schlecht gefühlt dabei."

Freundin "beendet" Mordlust

Auf die Frage des Richters, weshalb er nach dem dritten Tötungsdelikt nicht mehr mit einem Messer auf Menschen losgegangen sei, verwies der 18-Jährige auf seine Freundin, die er zwischenzeitlich kennengelernt hatte. Diese habe ihm "bedingungslose Liebe, die ich nicht verdient habe" geschenkt. Dieses "plötzliche Gefühl, das ich nicht begreifen kann", habe ihn aufhören lassen. Das Gefühl, andere Menschen verletzen bzw. töten zu müssen, sei "komplett weg" gewesen. Er habe "die letzten Tage, Wochen mit dieser Person (gemeint: der Freundin, Anm.) verbringen wollen." Ihm sei klar gewesen, dass er ins Gefängnis kommen werde.

Mutter angegriffen

Neben den Tötungsdelikten wurde auch eine gegen die Mutter des Burschen gerichtete Gewalttat verhandelt, die von den Geschworenen als schwere Körperverletzung beurteilt wurde. Zwei psychiatrische Gutachten bescheinigten dem Burschen, zu sämtlichen Tatzeitpunkten zurechnungsfähig und damit schuldfähig gewesen zu sein. Der Sachverständige Peter Hofmann stellte jedoch fest, dass von dem 18-Jährigen infolge einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung eine immense Gefahr ausgeht. Hofmann bezeichnete den 18-Jährigen in seiner Expertise als "Serienmörder". Diese seien dadurch gekennzeichnet, "dass sie oftmals noch einen stärkeren Reiz erleben wollen" und bei ihren Taten "nach anderen Opfern, anderen Örtlichkeiten und anderen Tötungsmethoden suchen." Dem Gutachten zufolge wären ohne therapeutische Maßnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit zukünftig wieder Straftaten mit schweren Folgen zu erwarten, weshalb die Staatsanwaltschaft gemäß § 21 Absatz 2 StGB zusätzlich die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt hatte.

12 Jahre Haft

Dem Angeklagten hatten nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) bis zu 15 Jahre Haft und die zeitlich unbefristete Unterbringung im Maßnahmenvollzug gedroht. Mit der Entlassung ist nach Verbüßung der über ihn verhängten Haft erst dann zu rechnen, wenn von einem psychiatrischen Sachverständigen festgestellt wird, dass die haftbegleitenden therapeutischen Maßnahmen ihre Wirkung entfaltet haben und von dem Mann keine Gefahr mehr ausgeht.#

(fd/apa)

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