Defekte Verhütungsspirale

VSV befürchtet hohe Dunkelziffer

(11.10.2022) Nachdem es bei der Verhütungsspirale des spanischen Medizinprodukteherstellers Eurogine vermehrt zu Brüchen der Seitenarme gekommen ist, geht der österreichische Verbraucherschutzverein (VSV) von viel mehr betroffenen Frauen aus. 28.502 dieser schadhaften Spiralen wurden in Österreich verkauft. Laut Berechnungen eines Innsbrucker Gynäkologen, der dieses Verhütungsmittel eingesetzt hat, waren 68 Prozent fehlerhaft. Somit könnten in Österreich 19.000 Frauen betroffen sein.

Rund 1.000 Frauen haben sich hierzulande bisher beim VSV gemeldet. Eurogine hat die Spirale aus Gold bzw. Kupfer, die den Materialfehler aufweist, von 2014 bis 2017 produziert. Die Arme brechen oft unbemerkt oder beim Entfernen ab. Wenn die scharfkantigen Teile bei der Monatsblutung nicht herausgespült werden, müssen sie oft operativ entfernt werden. Die Frauen haben "erhebliche Schmerzen", betonte die designierte VSV-Obfrau Daniela Holzinger-Vogtenhuber bei einem Pressegespräch in Wien. Die Betroffenen in Österreich seien "von allen Seiten in Stich gelassen worden". Laut VSV hätte der Hersteller bereits im Februar 2018 von dem Materialfehler gewusst. Erst im Oktober 2019 habe Eurogine dahingehend eine Information veröffentlicht.

In Österreich wurde überhaupt erst im September 2020 vom zuständigen Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) eine Sicherheitsinformation veröffentlicht. In anderen Ländern - wie in Spanien im Oktober 2019 und in Deutschland im Dezember 2019 - wurden die Betroffenen viel früher über die fehlerhaften Verhütungsspirale informiert. In Frankreich habe es laut Holzinger-Vogtenhuber neben den Rückruf auch ein Verkaufsverbot des Produkts gegeben. In Österreich erfolgte die Behörden-Info erst "zweieinhalb Jahre nach der Information des Herstellers", sagte die VSV-Obfrau. "In dieser Zeit ist es zu Brüchen gekommen, in dieser Zeit ist es zu schweren inneren Verletzungen bei betroffenen Frauen gekommen und in dieser Zeit wurden auch noch die betreffenden, mangelhaften Spiralen bei Frauen gesetzt."

Eine rasche und ausreichende Information der betroffenen Frauen und ihrer Ärztinnen und Ärzte sei nicht erfolgt. Auch das BASG habe die Warnung lediglich auf der Homepage veröffentlicht und nicht über Medien verbreitet. "Da hätte es eine Warnung geben müssen", ist Holzinger-Vogtenhuber überzeugt. Es bedürfe deshalb einer umfassenden Organisationsreform im Warnsystem des Bundesamtes, um rasch und zeitnah zu auftretenden Problemen im Bereich von Medizinprodukten - ähnlich wie im Lebensmittelbereich - eine Warnung der Öffentlichkeit sicherstellen zu können. Der VSV kündigte diesbezüglich erneut eine Amtshaftungsklage gegen die Republik an.

Keine einzige ihrer Mandantinnen hätte Kenntnis von dem Materialfehler gehabt, sagte Rechtsanwältin Margit Sagel, die einige Betroffene vertritt. Und viele glaubten, sie seien ein Einzelfall gewesen. "Aber das war kein Pech. Das war ein weit umfassender Materialfehler, der verhindert hätte werden können bei rechtzeitiger Information", so die Juristin. Ihrer Meinung nach gebe es noch eine hohe Dunkelziffer an Betroffenen. Und auch diese Frauen müssen bei der Geltendmachung von Schadenersatz aus der Produkthaftung unterstützt werden. "Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass die Angelegenheit nicht unter den Tisch gekehrt wird." Und Holzinger-Vogtenhuber: "Wir rufen auf, sich zu melden. Wir stehen auf Ihrer Seite."

Bisher haben sich rund 1.400 Geschädigte aus Österreich, Deutschland und der Schweiz beim VSV gemeldet. Derzeit werden für jene Frauen, die über die Deckung durch eine Rechtsschutzversicherung verfügen, individuelle Klagen eingebracht. Für jene Frauen, die nicht über einen solchen Rechtsschutz verfügen, wurde nun mit Unterstützung der Frauenorganisation "Soroptimist Austria" ein Crowdfunding zur Prozessfinanzierung ins Leben gerufen.

(apa/makl)

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