Erdbeben in der Türkei
Gedenktag für tausende Tote
(06.02.2024) Eines der schwersten Erdbeben seit 2001 ist noch lange nicht aufgearbeitet. Ein Jahr nach dem verheerenden Beben in der Türkei und Nordsyrien gedenken die Menschen am Dienstag den Zehntausenden Toten. Begleitet wurde das Ereignis von lauter Regierungskritik. Im Zentrum der weitgehend zerstörten Stadt Antakya versammelten sich Tausende Menschen zum gemeinsamen Gedenken, buhten die Regierung des Landes aus und bezeichneten sie teilweise als "Mörder". Immer wieder wurde in Sprechchören auch der Rücktritt des Provinzbürgermeisters Lütfü Savas gefordert.
Der Regierung unter Führung der islamisch-konservativen AKP wird vorgeworfen, zu spät Retter und Hilfe in die betroffene Region im Südosten des Landes geschickt zu haben und nun auch den Wiederaufbau in der Provinz Hatay und ihrer Hauptstadt Antakya nur zögerlich voranzutreiben. Eine Teilnehmerin der Kundgebung sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan ignoriere das Leid der Menschen in Hatay. Auch Savas, der der auf Landesebene größten Oppositionspartei CHP angehört, wird Nachlässigkeit vorgeworfen.
Die Schweigeminute um 4:17 Uhr Ortszeit wurde von Rufen wie "Hört jemand unsere Stimmen?" unterbrochen. Diesen Satz riefen auch die Retter, als sie vor einem Jahr tagelang in den Trümmern nach Verschütteten suchten. Heute drückt er aus, dass sich viele Menschen in der Region mit den Folgen der Katastrophe alleingelassen fühlen. Auf den Ruinen zerstörter Gebäude zündeten Menschen Kerzen in Erinnerung an die dort Getöteten an und warfen rote Nelken von einer Brücke in den Fluss Asi, der durch die Stadt fließt.
Andere forderten auf Schildern, dass die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik vor Gericht gestellt werden müssten. Die juristische Aufarbeitung der Gründe für die zehntausenden Toten durch Hunderttausende eingestürzte Gebäude wird immer wieder kritisiert. Am 6. Februar hatte am frühen Morgen ein Beben der Stärke 7,7 den Südosten der Türkei getroffen, ein weiteres Beben der Stärke 7,6 folgte am Nachmittag desselben Tages. Allein in der Türkei kamen nach Regierungsangaben mehr als 53.000 Menschen ums Leben. Genaue Angaben zu den Opfern aus dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Nachbarland Syrien sind schwer zu ermitteln. Beobachtern zufolge starben dort mehr als 6.000 Menschen.
Nach den schweren Erdbeben hat die Katastrophenschutzbehörde Afad fast 60.000 Beben registriert. Das teilte die Behörde am Dienstag mit. Es wurden keine Angaben dazu gemacht, ob es sich dabei um Nachbeben handelte. Kurz nach der Katastrophe war bereits von Tausenden Nachbeben die Rede.
Erdogan hatte versprochen, die Region schnell wieder aufzubauen. Doch die Menschen vor Ort leiden noch immer stark unter den Folgen des Bebens. Sie klagen über fehlende Hilfen, wie etwa Lebensmittel- oder Kleiderspenden. In der Türkei sind offiziellen Angaben zufolge fast 700.000 Menschen in Containern untergebracht. Auch wenn Ankara offiziell angibt, dass Zeltstädte aufgelöst wurden, lebt noch eine unbekannte Anzahl von Menschen in Zelten. Jedes dritte Kind, das in der Erdbebenregion in der Türkei obdachlos geworden sei, lebt nach Angaben von Save the Children noch heute in einer Notunterkunft. Die Kinderrechtsorganisation weist zudem darauf hin, dass sowohl in der Türkei als auch in Syrien die Kinder mit Ängsten und psychischen Problemen zu kämpfen haben.
Wegen der großen Zerstörung sind viele Menschen in der Region arbeitslos und somit mittellos geworden. Gleichzeitig boomt der Bausektor vor Ort und zieht zahlreiche Arbeitskräfte aus dem ganzen Land in die Region. Erdogan war am Wochenende in die Region gereist und weihte öffentlichkeitswirksam neue Gebäude ein. Zum Jahrestag wird er erneut in die Region reisen. Der Präsident und seine Regierung waren nach dem Beben zunächst scharf kritisiert worden. Etwa wurden ihnen Fehler beim Krisenmanagement vorgeworfen. Zudem gerieten sogenannte Schwarzbauten in den Fokus, die illegal errichtet und dann später von der Regierung legalisiert worden waren. Erdogans Beliebtheit hatte das keinen Abbruch getan, er war im Mai vergangenen Jahres nach 20 Jahren an der Macht als Präsident wiedergewählt worden. Ende März stehen Kommunalwahlen an.
(fd/apa)