Forderung: Mehr Gewaltschutz

Zwei Frauenmorde in Wien

(10.10.2023) Unternimmt Österreich genug, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern? Wieder einmal lauten die Schlagzeilen: “Mutmaßlicher Frauenmord in Österreich”. Am Donnerstag und Freitag sogar zwei Mal innerhalb weniger Stunden. Bestätigen sich die Verdachtsfälle, dann sprechen wir über den 18. und 19. Femizid in diesem Jahr. Frauenschutzeinrichtungen fordern vor allem eines: Mehr Gewaltprävention.

Die Wiener Polizei muss Ende letzter Woche von zwei ermordeten Frauen berichten. Am Donnerstagnachmittag soll ein 63-Jähriger seine 34-jährige Ehefrau erstochen und sich im Anschluss selbst schwer verletzt haben. Familienangehörige alarmieren die Einsatzkräfte, weil sie sich Sorgen machen. Der zweite Mordalarm dann am Freitag in der Früh. Ein 64-Jähriger dürfte zuerst seine 54-jährige Ehefrau erstochen und dann Suizid begangen haben.

“Acht von zehn Anzeigen eingestellt”

Fälle wie diese sind in Österreich keine Seltenheit. Laut Polizei gab es allein im letzten Jahr 29 Femizide. Fast dreiviertel aller Frauenmorde werden vom eigenen Partner, bzw. dem Ex-Partner begangen, so aktuelle Zahlen des Instituts für Konfliktforschung. Ein Viertel aller Opfer hat den Partner vor dem Gewaltverbrechen angezeigt. Die Tat verhindert, hat das aber nicht.

“Acht von zehn Anzeigen werden eingestellt. Das muss man sich einmal vorstellen”, sagt Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Frauenhelpline gegen Gewalt und der autonomen Frauenhäuser. “Für jede Frau ist das eine Demütigung und für die Täter ein Freibrief.” Wenn Frauen kein Vertrauen in die Polizei und in die Justiz haben, ziehen sie sich immer weiter zurück, so Rösslhumer: “Und genau hier müssen wir ansetzen, wir müssen die Behörden und die Justiz schulen.”

Frauenhäuser unter Druck: Kein Platz für schwangere 22-Jährige

Die Gewaltspirale spüren natürlich auch die österreichischen Frauenhäuser. Immer wieder gibt es Wartezeiten für Frauen, die Schutz suchen. Das zeigt auch ein Fall Ende Juni in Niederösterreich. Eine 22-jährige, hochschwangere Frau flüchtet vor ihrem gewalttätigen Partner. Platz in einem umliegenden Frauenhaus gibt es nicht. Die 22-Jährige muss nach kronehit-Informationen stattdessen bei einer Passantin unterkommen.

Drei Nächte lang kümmert sich die hilfsbereite Frau um die vor Gewalt flüchtende 22-Jährige. Erst am vierten Tag wird ein Platz im Frauenhaus frei. “Das sollte absolut nicht so sein. Wir haben da wirklich Lücken und Defizite in unserem System”, so Maria Rösslhumer. Die Leiterin der Frauenhelpline gegen Gewalt und der autonomen österreichischen Frauenhäuser kennt den Vorfall mit der schwangeren 22-Jährigen: “Es gibt immer wieder solche Probleme – in allen Bundesländern.”

Übergangswohnungen sollen helfen

Mit viel Herumtelefonieren lässt sich im Notfall in den meisten Fällen ein Bett für gewaltbetroffene Frauen auftreiben, hören wir aus den niederösterreichischen Frauenhäusern. Schlimmstenfalls im Spital. Dennoch wünschen sich viele mehr Übergangswohnungen. Frauenministerin Susanne Raab hat zuletzt bereits angekündigt weitere Plätze zu schaffen.

Laut Maria Rösslhumer bräuchte es diese zusätzlichen Notplätze dringend: “Die Frauenhäuser sind einfach Großteils ausgelastet. Und man kann von den Einrichtungen nicht ständig erwarten, dass sie Notbetten aufstellen.”

Insbesondere in der Nacht und am Wochenende würde es immer wieder zu Engpässen kommen: “Es gibt viel zu wenig rasche und unbürokratische Angebote. Eine Wohnung, die schnell verfügbar ist, wo Frauen ein, zwei Nächte unterkommen, gibt es nicht.”

Forderung nach mehr Gewaltprävention

Nicht nur Behörden und die Justiz, auch Ärztinnen und Ärzte sollten gut geschult werden, meint Maria Rösslhumer: “Wie sie Gewalt erkennen, wie sie gut dokumentieren und so Beweismittel sichern, und wie sie betroffene Frauen letztendlich an die richtigen Stellen, wie Frauenhäuser und Frauenberatungen, weitervermitteln.”

Auch die Frauenhäuser wünschen sich, dass mehr für die Prävention von Gewalt getan wird. Man müsse schon in Schulen ansetzen. Der Umgang mit Gewalt kann früh gelernt werden, die Schule wäre der Grundstein für ein gewaltfreies Miteinander, so der Tenor.

Zusätzlich muss Österreich mehr dafür tun, dass Gewaltausübende zur Verantwortung gezogen werden, fordert Rösslhumer. Jede Frau, die von Gewalt betroffen ist, sollte eigentlich zu Hause bleiben können. Aber: “Wir sind so weit weg davon, dass wir keine Frauenhäuser mehr brauchen.” Ganz im Gegenteil: “Wir müssen immer weiter ausbauen.”

Hilfe im Krisenfall

Du bist in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchst Hilfe? Frauen, die sich in einer Notlage befinden, erhalten rund um die Uhr Hilfe bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555. Weitere Informationen findest du auch auf www.frauenhelpline.at; oder beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at.

Auch Männer können sich in Krisensituationen Beratung holen. Etwa beim Männernotruf: 0800-246-247, www.maennernotruf.at; oder bei der Männerinfo: 0800-400-777, www.maennerinfo.at.

Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Unter https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. Infos für Jugendliche gibt es unter www.bittelebe.at. Die Telefonseelsorge ist unter: 142 ebenfalls rund um die Uhr erreichbar.


(Clemens Draxler)

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