Iran: Wie reagiert Israel?
Beratungen laufen noch
(15.04.2024) Israel hat Medienberichten zufolge noch nicht entschieden, wie sie auf Irans Angriff vom Wochenende reagieren soll. Das Kriegskabinett habe bei Beratungen am Sonntagnachmittag keinen Beschluss über das weitere Vorgehen gefasst, berichtete die Zeitung "Times of Israel". In den kommenden Tagen sollten weitere Gespräche geführt werden, meldete das Nachrichtenportal "Axios". Bei der Sitzung seien mehrere Optionen für einen möglichen israelischen Vergeltungsschlag erörtern worden.
Das US-Militär fing nach eigenen Angaben mit Unterstützung von Zerstörern des US European Command am Samstag und Sonntag mehr als 80 Drohnen und mindestens sechs ballistische Raketen mit Ziel Israel ab und zerstörte sie. Die Geschoße seien vom Iran und Jemen aus abgefeuert worden, teilt das US Central Command (Centcom) auf X (vormals Twitter) mit.
"Centcom ist weiterhin bereit, Israels Verteidigung gegen diese gefährlichen Aktionen des Irans zu unterstützen. Wir werden weiterhin mit allen unseren regionalen Partnern zusammenarbeiten, um die regionale Sicherheit zu erhöhen." Der Angriff mit mehr als 300 Drohnen und Raketen, die größtenteils aus dem Iran abgefeuert wurden, hat nur geringen Schaden angerichtet.
Der Iran stellte die Operation mit dem Titel "Aufrichtiges Versprechen" als Vergeltungsschlag für die Tötung hochrangiger Offiziere in Syrien dar. Am 1. April waren bei einem mutmaßlich von Israel geführten Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus zwei Brigadegeneräle getötet worden.
Der iranische UNO-Botschafter Amir Saeid Iravani sagte bei einer Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats, die Islamische Republik habe ihr Recht auf Selbstverteidigung ausgeübt: "Diese Aktionen waren notwendig und verhältnismäßig." Israels Vertreter Gilad Erdan hielt dagegen, der Iran habe "jede rote Linie überschritten" und sein Land habe nun wiederum das Recht, Vergeltung zu üben. Irans Nationaler Sicherheitsrat warnte Israel vor einer militärischen Antwort auf die Vergeltungsschläge.
US-Präsident Joe Biden hielt Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu nach Darstellung aus Washington dazu an, einen möglichen Schlag gegen den Iran und dessen Folgen sorgfältig abzuwägen. In dem Telefonat zwischen den beiden am Samstagabend (Ortszeit) habe Biden Netanyahu "sehr deutlich" gemacht, dass man "sorgfältig und strategisch über die Risiken einer Eskalation nachdenken" müsse, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter am Sonntag.
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres rief nach dem ersten direkten Angriff des Irans auf Israel alle Seiten zu äußerster Zurückhaltung auf. Er verurteilte den iranischen Beschuss mit Drohnen und Raketen und warnte vor einer weiteren Eskalation. "Der Nahe Osten steht am Abgrund", sagte Guterres am Sonntag bei der Sitzung des Sicherheitsrates, die nach dem Angriff einberufen worden war.
"Die Menschen in der Region sind mit der realen Gefahr eines verheerenden umfassenden Konflikts konfrontiert. Jetzt ist es an der Zeit, die Lage zu entschärfen und zu deeskalieren." Der Iran hatte Vergeltung für einen Israel zugeschriebenen Angriff auf sein Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus am 1. April angedroht. In der Nacht zu Sonntag feuerte die Islamische Republik mehr als 300 Drohnen und Raketen in Richtung Israel ab, die nach israelischen Angaben aber zu 99 Prozent abgefangen wurden.
Guterres erinnerte die Mitgliedsstaaten daran, dass die Charta der Vereinten Nationen (UNO) die Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Staates verbiete.
US-Außenminister Antony Blinken beriet nach dem iranischen Angriff auf Israel mit seinen Amtskollegen aus Saudi-Arabien, Jordanien und Ägypten. Auch mit dem türkischen Außenminister habe Blinken telefoniert, erklärt das US-Außenministerium. In den getrennten Gesprächen habe Blinken bekräftigt, dass die USA keine Eskalation wollten. Er habe er wiederholt, dass die USA Israel bei seiner Verteidigung weiterhin unterstützen würden.
Mit seinem ägyptischen Amtskollegen Sameh Schukry habe Blinken zudem darüber gesprochen, die humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen auszuweiten. Thema seien hier auch der Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung und eine sofortige Waffenruhe gewesen, durch die die Freilassung der israelischen Geiseln im Gazastreifen sichergestellt werden solle. Die USA und Ägypten sind neben Katar die wichtigsten Vermittler in dem seit mehr als einem halben Jahr anhaltenden Krieg zwischen dem israelischen Militär und der Hamas im Gazastreifen.
Der stellvertretende US-Botschafter bei der UNO, Robert Wood, forderte den 15 Mitglieder zählenden Sicherheitsrat auf, den Angriff des Irans unmissverständlich zu verurteilen. Das Gremium habe die Pflicht, das Vorgehen des Irans nicht unbeantwortet zu lassen. "In den kommenden Tagen und in Absprache mit anderen Mitgliedsstaaten werden die Vereinigten Staaten zusätzliche Maßnahmen prüfen, um den Iran hier bei den Vereinten Nationen zur Verantwortung zu ziehen", sagte Wood. "Lassen Sie es mich klar sagen: Wenn der Iran oder seine Stellvertreter Maßnahmen gegen die Vereinigten Staaten oder weitere Maßnahmen gegen Israel ergreifen, wird der Iran zur Verantwortung gezogen."
Der iranische UNO-Botschafter Amir Saeid Irawani erklärte, das Vorgehen seines Landes sei notwendig und verhältnismäßig. Die Regierung in Teheran strebe weder eine Eskalation noch einen Krieg in der Region an. Der Iran habe auch nicht die Absicht, einen Konflikt mit den USA einzugehen. Sein Land bekräftige aber sein Recht auf Selbstverteidigung. "Wenn die USA militärische Einsätze gegen den Iran, seine Bürger oder seine Sicherheit und Interessen einleiten, wird der Iran von seinem unveräußerlichen Recht Gebrauch machen, angemessen zu reagieren", sagte Irawani.
Israels UNO-Botschafter Gilad Erdan, der die Sitzung des Sicherheitsrates beantragt hatte, warf dem Iran Verstöße gegen das Völkerrecht vor. Er forderte den Sicherheitsrat auf, den Iran zu verurteilen, die Sanktionen wieder einzuführen und die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen. "Die Schlummertaste ist keine Option mehr. Die einzige Möglichkeit ist, den Iran zu verurteilen und alle notwendigen Mittel einzusetzen, um ihn für seine schrecklichen Verbrechen einen hohen Preis zahlen zu lassen."
Der Iran hatte seine Drohung mit Vergeltung zwei Wochen nach dem Angriff auf sein Botschaftsgelände in Damaskus wahr gemacht, bei dem sieben Offiziere der mächtigen Revolutionsgarden getötet wurden. Unter den Toten sind auch zwei ranghohe Befehlshaber. Der Iran macht Israel für den Angriff verantwortlich. Israel hat weder bestätigt noch dementiert, den Angriff ausgeführt zu haben.
Bei dem iranischen Angriff wurde Behörden zufolge ein siebenjähriges Mädchen schwer verletzt. Eine israelische Militäreinrichtung wurde nach Angaben der Armee leicht beschädigt.
(apa/mc)