Kachowka-Staudamm zerstört
Evakuierungen laufen
(06.06.2023) Der Kachowka-Staudamm im russisch kontrollierten Teil der südukrainischen Region Cherson ist am Dienstag zerstört worden. Beide Kriegsparteien gaben einander die Schuld. "Das Ausmaß der Zerstörung, die Geschwindigkeit und die Menge des Wassers sowie die wahrscheinlichen Überschwemmungsgebiete werden derzeit geklärt", schrieb das ukrainische Kommando Süd am in einer Mitteilung. Evakuierungen im Gebiet liefen an.
Der Bürgermeister der Stadt Nowa Kachowka widersprach laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Berichten über eine Sprengung des Staudamms durch russische Truppen. Er berichtete von Schäden durch ukrainischen Artilleriebeschuss. In russischen und ukrainischen sozialen Medien kursierten zuvor zahlreiche Beiträge, wonach der am Fluss Dnipro liegende Damm zerstört worden sei. Das Reservoir versorgt die von Russland 2014 annektierte Halbinsel Krim mit Wasser, wie auch das besetzte AKW Saporischschja. Für dieses besteht nach russischer Darstellung keine unmittelbare Gefahr, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS unter Berufung auf einen von Russland eingesetzten Verwaltungsvertreter im besetzten Gebiet berichtete. Demnach bestehe auch keine Gefahr, dass der Kanal auf die Krim austrocknet, hieß es.
Der 30 Meter hohe und 3,2 Kilometer lange Damm wurde 1956 als Teil des Wasserkraftwerks Kachowka errichtet. Der Stausee fasst rund 18 Milliarden Kubikmeter Wasser bei einer Fläche von knapp 2.200 Quadratkilometern. Zum Vergleich: Das Bundesland Vorarlberg hat eine Fläche von 2.600 Quadratkilometern. Weitläufige Überschwemmungen werden nun befürchtet. Laut Medienberichten wurde mit Evakuierungen im Gebiet begonnen. Das Wasser werde binnen fünf Stunden kritisches Niveau erreichen, schrieb der Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Prokudin auf Telegram.
Russland hatte zuvor die Vereitelung einer weiteren Großoffensive der ukrainischen Streitkräfte in der Region Donezk vermeldet. Wie das russische Verteidigungsministerium am Montagabend mitteilte, wurden dabei u.a. acht Leopard-Kampfpanzer und drei französische Radpanzer zerstört. 1.500 ukrainische Soldaten seien getötet worden. Auch seien 109 gepanzerte Vehikel zerstört worden. Der Bericht konnte nicht unabhängig bestätigt werden, eine Stellungnahme vonseiten der Ukraine lag nicht vor.
Zweifel an den Angaben kamen vom Chef der russischen Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin. Die vermeintlichen Opferzahlen in den Reihen der Ukrainer sah er als nicht realistisch an. Dafür seien weitaus mehr Bodengewinne erforderlich. "Deshalb glaube ich, dass das einfach wilde und absurde Science-Fiction ist", sagte Prigoschin in einem Statement auf seinem Telegram-Kanal. Zähle man die Zahlen des Ministeriums zusammen, "haben wir den gesamten Planeten bereits fünfmal zerstört", fügte er sarkastisch hinzu. Prigoschin hat die russische Militärführung bereits mehrfach scharf kritisiert und ihr Unfähigkeit vorgeworfen.
Die Ukraine wies am Montag bereits die russische Darstellung zurück, dass eine Gegenoffensive in der Donezk-Region eingeleitet worden sei. Präsident Wolodymyr Selenskyj meinte in seiner in Kiew verbreiteten abendlichen Videobotschaft: "Russland wird diesen Krieg verlieren. Der Feind weiß, dass die Ukraine gewinnen wird. Sie sehen das." Selenskyj lobte insbesondere Vorstöße der ukrainischen Truppen in Richtung der Stadt Bachmut, die Russland schon für erobert erklärt hatte. Die Erfolge dort seien die Nachrichten, auf die die Ukraine gewartet habe, sagte er. "Wir sehen, wie hysterisch Russland jeden unserer Schritte, jede Position, die wir einnehmen, beobachtet."
Weiter gingen die nächtlichen Luftangriffe. In der Nacht auf Dienstag gab es Berichten zufolge landesweit Luftalarm in der Ukraine. In den frühen Morgenstunden waren in verschiedenen Bezirken der Hauptstadt Kiew heftige Explosionen zu hören, wie "Ukrajinska Prawda" berichtete. Sie stammten von Luftabwehrraketen, teilt Bürgermeister Vitali Klitschko via Telegram mit. Offizielle Stellen sprachen von 20 abgefangenen Marschflugkörpern. "Alle wurden abgeschossen, es gab keine Treffer", teilt der Chef der Militärverwaltung, Serhij Popko, auf Telegram mit. Vorläufigen Informationen zufolge gab es keine Verletzten. Herabfallende Trümmerteile beschädigen Militärangaben zufolge Straßen und Stromleitungen des Oberleitungsnetzes im Stadtteil Desnjanskyj.
(mt/apa)