Kachowka-Staudamm

40.000 auf der Flucht

(07.06.2023) Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Südukraine sind laut Angaben der russischen Besatzer im von ihnen kontrollierten Teil des Gebiets Cherson bis zu 40.000 Menschen von den schweren Überschwemmungen betroffen.

"Nach vorläufigen Prognosen sind es zwischen 22.000 und 40.000", sagte der von Moskau in Cherson eingesetzte Verwaltungschef Wladimir Saldo am Mittwochvormittag im russischen Staatsfernsehen auf die Frage, wie viele Menschen im Katastrophengebiet lebten.

Der Besatzungschef der Staudamm-Stadt Nowa Kachowka, Wladimir Leontjew, sagte zudem, dass dort rund 100 Menschen von den Wassermassen eingeschlossen seien und gerettet werden müssten. Sieben Anrainer werden den Angaben zufolge derzeit vermisst, rund 900 sollen angeblich schon in Sicherheit gebracht worden sein. Leontjew sprach zudem von mehreren komplett oder teilweise überfluteten Orten. "Der Ort Korsunka steht - mit Ausnahme der letzten Straße - komplett unter Wasser", sagte er im russischen Fernsehen.

Die ukrainischen Behörden im Gebiet Cherson erwarten indes weiter steigende Wasserstände. Bis Donnerstagvormittag werde das Wasser noch um einen Meter ansteigen, sagte der Sprecher der Chersoner Militärverwaltung, Olexander Tolokonnikow, am Mittwoch im ukrainischen Fernsehen. Zugleich sagte er, dass der Staudamm weiter breche, weshalb das Wasser noch steigen könne. Das Wasser fließt aus dem Stausee über die schwer beschädigte Staumauer ab.

In der Großstadt Cherson stieg das Wasser laut Behörden um mehr als zwei Meter, die ersten Etagen von Gebäuden sind überschwemmt. Die Evakuierung der Bewohner laufe, hieß es. Teils waren Helfer in der Region in Booten unterwegs auf der Suche nach Menschen, die womöglich auf Dächern ihrer überschwemmten Häuser ausharren, um gerettet zu werden. In sozialen Netzwerken gab es Videos von Menschen, die verzweifelt auch ihre durchnässten Hunde, Katzen und anderen Haustiere in Sicherheit bringen wollten.

Durch das Hochwasser können in der südlichen Region Chemikalien und Krankheitserreger in Brunnen und Gewässer gelangen, warnte das ukrainische Gesundheitsministerium am Mittwoch. Experten des Ministeriums seien bereits vor Ort im Einsatz, um Wasserproben zu analysieren, hieß es weiter. Außerdem sollten regionale Vorräte an Antibiotika aufgestockt werden, um mehr Menschen bei Darminfekten behandeln zu können.

Die ukrainische Behörde teilte außerdem mit, in den kommenden drei bis fünf Tagen werde der Wasserstand wieder sinken, was voraussichtlich zum Massen-Fischsterben führen werde. Der Verzehr von Fischen sei deshalb nun kategorisch verboten, um das Risiko von Botulismus - einer lebensbedrohlichen Nervenvergiftung - zu minimieren.

Notstand

Einen Tag nach der Zerstörung des Staudamms verhängten die russischen Besatzungsbehörden den Notstand in dem von Russland kontrollierten Teil der Region Cherson, meldete die russische Nachrichtenagentur TASS unter Berufung auf Rettungsdienste. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf den russischen Besatzern vor, sie brächten mit dem Terroranschlag gegen das Wasserkraftwerk und den Staudamm alles Leben in Gefahr. Sie hätten am Dienstag absichtlich eines der größten Wasserreservoirs der Ukraine zerstört. Zehntausende Menschen seien in der Gefahrenzone. Hunderttausende in einem weiteren Einzugsgebiet seien nun ohne normalen Zugang zu Trinkwasser.

Wer war es denn jetzt wirklich?

Der ukrainische Generalstab bezeichnete die Sprengung des Kachowka-Staudamms am Mittwoch als russisches Kriegsverbrechen. Ziel sei es gewesen, den Vormarsch der ukrainischen Truppen in der Region zu verhindern, teilte der Stab am Mittwoch in seinem Morgenbulletin in Kiew mit. Russland und die Ukraine gaben sich gegenseitig die Schuld an der Zerstörung des Stausees, beide Seiten sprechen von einem "Terroranschlag" und einer beispiellosen Katastrophe für die Umwelt. Kiew wirft russischen Truppen vor, das Wasserkraftwerk und den Staudamm vermint und gesprengt zu haben. Moskau wiederum behauptet, die Anlage sei durch ukrainischen Beschuss zerstört worden und fordert eine internationale Untersuchung.

(fd/apa)

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