Nach Vergewaltigung verstorben
Wien: Erschütternder Prozess
(21.03.2023) "Die Tat ist so grausam, dass selbst erfahrene Juristen und Mediziner fassungslos sind, was in der Nacht auf den 19. Juni 2022 passiert ist" - mit diesen Worten hat die Staatsanwältin die Geschworenen auf ein Gewaltverbrechen vorbereitet, das Gegenstand einer Verhandlung am Wiener Landesgericht war. Eine 20 Jahre alte Frau sei in einer Wohnung in Wien-Floridsdorf "auf qualvolle Weise vergewaltigt" worden "und dadurch gestorben", legte die Anklägerin dar.
Mordanklage
Sie warf dem inzwischen 26 Jahre alten Wohnungsbesitzer sowie einem 31 Jahre alten Freund des Mannes neben dem Sittlichkeitsverbrechen Mord vor: "Sie haben sie zu Tode vergewaltigt". Die Details der Anklage sind derart schrecklich, dass sie sich aus rechtlichen Erwägungen und Opferschutzgründen - die Mutter der Getöteten hat sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen - nicht zur medialen Berichterstattung eignen. Den Angeklagten - der Jüngere ist bisher unbescholten, der 31-Jährige weist vier Vorstrafen auf - drohen im Fall einer anklagekonformen Verurteilung zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft sowie jeweils die Unterbringung in einer forensisch-therapeutischen Einrichtung. Einem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen zufolge waren beide im Tatzeitraum zurechnungsfähig, weisen aber eine kombinierte Persönlichkeitsstörung auf, die sie gefährlich macht, falls sie nicht in einer Sonderstrafanstalt untergebracht werden, in der haftbegleitende therapeutische Maßnahmen sichergestellt sind. Der Prozess ist auf zwei Tage anberaumt, die Urteile sollen am Donnerstag fallen.
Wie ist es dazu gekommen?
Laut Anklage soll zunächst der 31-Jährige die Frau missbraucht haben, was zu einem Streit zwischen den beiden Männern führte. Der 26-Jährige hatte diesen in seiner 36 Quadratmeter-Wohnung aufgenommen, weil dieser keine eigene Bleibe hatte und obdachlos war. Schließlich sollen beide mit außerordentlicher Gewalt ihr Opfer malträtiert haben, was zu massiven Blutungen bei der ihnen körperlich unterlegenen und daher wehrlosen Frau führte. Als diese das Bewusstsein verlor, wurde sie laut Anklage kalt abgeduscht. Ehe um 9.51 Uhr für die Frau die Rettung gerufen wurde, sollen die Angeklagten in der Wohnung bzw. an Gegenständen Putz- und Reinigungsarbeiten vorgenommen haben, um die gewalttätigen Vorgänge zu verschleiern, die sich Stunden davor zugetragen hatten. "Es ist ihnen nicht gelungen, die Spuren zu beseitigen. Alles war voller Blut", sagte die Staatsanwältin. Der größte Blutfleck maß demnach 51 Mal 61 Zentimeter.
Umfassendes Geständnis?
Der Verteidiger des 31-Jährigen, Manfred Arbacher-Stöger, kündigte ein umfassendes Geständnis seines Mandanten an: "Alles, was Sie von der Staatsanwältin gehört haben, stimmt. Genau so, wie sie es dargelegt hat." Sein Mandant werde "alles erzählen". Zum Motiv bemerkte Arbacher-Stöger, die Angeklagten hätten sich gegenseitig "hochgeschaukelt" und es habe "eines das andere ergeben".
26-Jähriger will nichts bemerkt haben
Der 26-Jährige, der eigentlich mit einer anderen Frau liiert war und mit der Getöteten eine "Freundschaft plus", wie sich die Staatsanwältin ausdrückte, geführt hatte, bekannte sich demgegenüber "nicht schuldig". "Ich habe sie die ganze Nacht nicht angegriffen", behauptete er in seiner Beschuldigteneinvernahme. Was sein Freund ("Er war für mich da, wie ich für ihn da war am Anfang") der jungen Frau antat, habe er "nicht gemerkt". Sie habe sich plötzlich zu ihm ins Bett gelegt und übergeben, als er bereits eingeschlafen war. Davon sei er aufgewacht, der 31-Jährige habe die alkoholisierte Frau - bevor es zu den inkriminierten Tathandlungen kam, hatte man in der Wohnung zu dritt Jägermeister und Whiskey getrunken - ins Badezimmer getragen: "Er hat gemeint, er kümmert sich drum." Er selbst habe das Bett frisch bezogen, "damit sie ein frisches Bett hat". Blut habe er keines bemerkt, auch sonst sei ihm nichts auffällig erschienen. Erst später, schon in der Früh, habe er erkannt, dass etwas passiert sein müsse: "Ich war selber schockiert und sprachlos." Sein Freund habe die 20-Jährige im Badezimmer "abgeduscht" gehabt und ihm versichert, es gehe ihr "schon besser". Er habe diesem vertraut: "Mir ist das alles zu viel geworden in diesem Moment. Ich hab' nicht gewusst, was ich denken soll. Ich habe nicht gewusst, was ich tun soll."
Notruf war zu spät
Zwischendurch sei er aufgewacht und habe die Frau in der Dusche liegen gesehen: "Die Füße waren draußen, sie hat geschlafen. Der Brustkorb hat sich gehoben und gesenkt. Sie hatte die Augen zu und hat geatmet. Das hat mir schon ein bissi gutgetan, dass sie noch atmet, ein wenig." Erst am Vormittag sei ihm aufgefallen, dass die Frau "blaue Lippen" hatte, behauptete der 26-Jährige, der bei seiner Aussage einen Rosenkranz in Händen hielt. Da habe er die Rettung gerufen.
Rettungsmaßnahmen
Zwischendurch hatte er die Rettung ein erstes Mal geholt - allerdings für sich selbst. Um 4.06 Uhr betätigte der Mann den Notruf, weil er Glasscherben eingetreten hatte. Diese ließ er sich, im Stiegenhaus sitzend, von einem Sanitäter entfernen, "weil ich mir schwertu, zu den Füßen zu kommen", wie der 26-Jährige erklärte. Die Hilfestellung sei nötig gewesen, "weil das Blut schon zu rinnen begonnen hat". Die in seiner Wohnung befindliche Frau, die zu diesem Zeitpunkt womöglich nicht mehr am Leben war, zumindest aber in Lebensgefahr war, erwähnte er mit keinem Wort.
"Unfähig, dem Mädchen beizustehen"
"Ich bin zur Überzeugung gekommen, dass er unschuldig ist und in diese Geschichte hineingeraten ist", meinte die Verteidigerin des 26-Jährigen, Astrid Wagner. Es gebe "keine Sachbeweise, was ihn betrifft". Während der Tathandlungen ("Es ist wirklich eine schreckliche Geschichte") sei ihr Mandant "paralysiert im Nebenzimmer gelegen und eingeschlafen". "Er ist durch den Zweitangeklagten in den Sog des Bösen geraten und war unfähig, dem Mädchen beizustehen", sagte Wagner.
Wut gegen Frau gerichtet
Der 26-Jährige hatte die junge Frau über Facebook kennengelernt. Zwischen den beiden entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung, die gelegentlichen Sex inkludierte. Am 18. Juni holte sie ihn am Abend von einer Firmen-Feier ab, erstmals nahm der Service-Techniker sie mit zu sich nach Hause, wo man zunächst zu dritt - der 31-Jährige hatte bereits etwas Alkohol und Cannabis konsumiert - weitertrank. Als der 26-Jährige kurz die Wohnung verließ, verging sich laut Anklage der 31-Jährige zunächst an der Frau, die sich heftig, aber vergeblich dagegen wehrte. Als der 26-Jährige zurückkam und vom Vorgefallenen erfuhr, kam es zwischen den beiden Männern zu einem Streit, wobei sich "die Wut, die sie innerlich gehabt haben, gegen die Frau gerichtet hat", wie die Staatsanwältin ausführte.
Nachbarn hören mit, aber schreiten nicht ein
Während der Nachtstunden bekamen Nachbarn in der Gemeindebau-Anlage offenbar teilweise das Martyrium der 20-Jährigen mit. "Schlag mich nicht mehr, hör' auf damit!", hörte einer eine weibliche Stimme schreien. Ein anderer vernahm gegen 1.00 Uhr Hilferufe und "Bitte, hört's auf! Das könnt's nicht machen!". Bis 3.00 Uhr sei es laut gewesen, schilderte dieser Ohrenzeuge nach dem Auffinden der Leiche der Polizei. Weshalb er nicht selbst reagiert und die Polizei nicht alarmiert hatte, dürfte sich nicht mehr klären lassen. Der Mann soll mittlerweile ins Ausland verzogen sein.
Verhandlung bis Donnerstag
"Ich hab' düstere Bilder im meinem Kopf", gab der Zweitangeklagte in seiner Einvernahme zu Protokoll. Der 31-Jährige verantwortete sich - wie von seinem Verteidiger angekündigt - zu beiden Anklagepunkten geständig und belastete den 26-Jährigen, der mitgemacht habe. An einige Vorgänge habe er "nur mehr bruchstückhafte Erinnerungen". Die Gutachter - neben den Ausführungen des Psychiaters ist auch noch die Expertise des Gerichtsmediziners Nikolaus Klupp ausständig - kommen am zweiten Verhandlungstag zu Wort. Es sind auch noch einige Zeugen geladen.
(fd/apa)