Öl-Embargo gegen Russland
Mit sofortiger Wirkung
(31.05.2022) Die EU hat sich auf ein sechstes Sanktionspaket einschließlich des seit Wochen umstrittenen Öl-Embargos gegen Russland verständigt. Dies teilte EU-Ratspräsident am späten Montagabend nach Beratungen beim EU-Sondergipfel in Brüssel auf Twitter mit. "Einigkeit. Einigung auf ein Verbot des Exports von russischem Öl in die EU", schrieb Michel. Das Embargo betreffe "sofort" mehr als zwei Drittel aller Ölimporte aus Russland. Beschlossen wurden auch neue Milliardenhilfen für Kiew.
Mit dem Embargobeschluss verliere das Land eine "riesige Finanzquelle für seine Kriegsmaschinerie", betonte Michel. Tatsächlich geben die EU-Staaten nach Expertenberechnungen jeden Tag hunderte Millionen Euro für russisches Öl aus. Man übe "maximalen Druck" auf das Land aus, "den Krieg zu beenden", betonte Michel. Außerdem werde die staatliche Sberbank aus dem Bankenkommunikationssystem SWIFT ausgeschlossen, und die EU verbiete auch drei russische Staatssender. Zudem gebe es weitere Sanktionen gegen Personen, die für Kriegsverbrechen verantwortlich seien. Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa gab Michel zudem weitere Finanzhilfen in Höhe von neun Milliarden Euro für die Ukraine bekannt. Damit sollen etwa Pensionszahlungen oder der Betrieb von Spitälern finanziert werden.
Michel gab die Einigung noch vor dem Ende des ersten Gipfeltages bekannt. Wie aus Diplomatenkreisen verlautete, diskutierten die Staats- und Regierungschefs nach Mitternacht noch über das Thema Energiepreise. Diesbezüglich stand der Plan der EU-Kommission, vorübergehend Preisobergrenzen etwa für Strom festzulegen, im Zentrum des Interesses.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Einigung. "Damit werden die Importe russischen Öls in die EU bis Jahresende faktisch um 90 Prozent reduziert", teilte kurz nach Mitternacht auf Twitter mit. Von der Leyen hatte sich vor Gipfelbeginn noch skeptisch gezeigt, was eine Einigung betrifft. Zugleich musste sie sich massive Kritik der EU-Chefs an der Vorgangsweise der Brüsseler Behörde anhören.
Zum Auftakt des Gipfels hatten die EU-Chefs noch ihren Dissens bekräftigt. Insbesondere der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban positionierte sich gegen einen im Vorfeld präsentierten Kompromissvorschlag, der die Lieferung von russischem Öl über Pipelines weiter erlaubt hätte. Orban begrüßte zwar die Pipeline-Ausnahme, forderte aber zusätzliche Garantien und erhielt dafür auch die Unterstützung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der Verständnis für die "Sorgen" des Nachbarlandes äußerte und auf die ähnlich starke Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas verwies.
Nehammer äußerte sich vor Gipfelbeginn trotzdem zuversichtlich, dass es eine Einigung geben könnte. Die Erfahrungen mit EU-Ratstreffen der vergangenen Monate habe ihn "gelehrt, dass eine hohe Lösungsbereitschaft gegeben" ist. "Ich gehe davon aus, dass es zu einer Lösung kommen wird", sagte der Kanzler.
Diplomaten zufolge sollte es mehrere Ausnahmen vom Ölembargo geben. Nach dem im Vorfeld des Gipfels kolportierten Entwurf sollen die Importe russischen Öls über Häfen gestoppt werden. Die Öl-Importe über eine Pipeline nach Ungarn, die Slowakei und Tschechien sollen erst später beendet werden.
Orban sagte, Ungarn brauche Garantien für den Fall, dass die Pipeline blockiert werde. Er spielte damit auf einen möglichen Stopp russischer Öllieferungen an, bei dem der Binnenstaat Ungarn schnell auf dem Trockenen säße. Der EU-Kommission warf er "unverantwortliches Verhalten" vor: "Zuerst brauchen wir Lösungen, dann Sanktionen." Ähnlich äußerte sich Nehammer. Auch sein tschechischer Kollege Petr Fiala forderte mehr Rücksichtnahme auf die Sorgen einzelner Staaten.
(APA/CD)