Personalmangel in der Gastro
AK-Studie: Selbst verschuldet?
(30.11.2022) Strukturelle Probleme und eine hohe Drop-out-Rate während oder nach der Ausbildung bescheinigt eine Studie der Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich den Gastronomiebetrieben. Die AK OÖ fordert bessere Entlohnung und faire, gesunde Arbeitsbedingungen in Gastronomie und Tourismus, um den selbst verschuldeten Arbeitskräftemangel zu bekämpfen, wie Präsident Andreas Stangl und Studienleiterin Johanna Neuhauser in einer Pressekonferenz am Dienstag in Linz darlegten.
"Drei Prozent der Mitglieder, aber 15 Prozent der Rechtsakte" würden in der AK auf die Gastronomiebranche entfallen, sagte Stangl. An der Studie vom Institut für Soziologie an der Universität Wien im Sommer 2022 nahmen 32 Beschäftigte oder ehemalige Beschäftigte in der oberösterreichischen Gastronomie und Hotellerie teil. Stangl betonte, dass daraus hervorging, dass der Arbeitskräftemangel selbst verschuldet sei. Ein Teilnehmer bekräftigte, dass es in Österreich genug Personal gebe, "man sollte die einfach nur anständig bezahlen, dann gibt es auch kein Gejammer mehr, von wegen ich finde niemanden". Neuhauser erklärte, dass der Fachkräftemangel sich seit der Pandemie verstärkt habe, im Vergleich mit dem Sommer 2019 seien 2022 etwas mehr Menschen in der Branche beschäftigt gewesen, aber auch mehr Stellen ausgeschrieben gewesen.
Neuhauser gab Einblick in die Erzählungen der 21 weiblichen und elf männlichen Studienteilnehmer, die von einer Branchenkultur zeugen, die von schlechtem Arbeitsklima, rauem Umgangston und fehlender Wertschätzung geprägt ist. Wegen der häufigen personellen Unterbesetzung wird oft krank gearbeitet, und auch der Umgang mit Arbeitsunfällen schockiert. Eine Küchenhelferin, die sich beim Fleisch faschieren verletzte, gab an, dass die Chefin sich nicht darum gekümmert hätte. "Ein anderer Arbeiter ist dann gekommen und hat mir die Hand zugebunden", "weil ihr war am wichtigsten, dass die Arbeit weiter geht."
Große Unzufriedenheit
Auszubildende sowie Migrantinnen und Migranten würden als billige Arbeitskräfte ausgenutzt, eine Studienteilnehmerin wurde während ihrer Ausbildung zur Rezeptionistin monatelang als Aushilfe im Service eingesetzt. "Es haben in der Berufsschule bei mir schon viele gesagt, sie hören auf. Sie machen nur noch die Lehrabschlussprüfung und das war es", bestätigte ein Küchenchef aus seinen langjährigen Erfahrungen, dass Lehrlinge oft nur Laufburschen seien. "Es gehören ordentliche Lehrbetriebe her", forderte er. Eine Migrantin, die kündigen wollte, weil sie in dem Betrieb nicht viel lernen konnte, hörte: Niemand nimmt dich, du kannst sonst nirgendwo arbeiten, wegen deiner Deutschkenntnisse. Nur ich nehme dich [...]."
Keine work-life-balance
Geteilte Dienste, fehlende Planbarkeit, häufige Überstunden und zu kurze Ruhezeiten erschwerten die Vereinbarkeit mit Familien- und Privatleben, führte Neuhauser aus. Dazu komme der relativ schlechte Verdienst, mit einem Bruttomedianlohn von 1.650 Euro ein Drittel unter dem Durchschnitt. Zwei von drei Beschäftigten in Gastronomieberufen gaben laut Arbeitsklima Index der AK Oberösterreich schon vor der explodierenden Teuerungswelle an, dass sie von ihrem Einkommen gar nicht oder gerade noch leben können. Um Kosten zu sparen werden Beschäftigte unterhalb ihrer Qualifikation angemeldet; Teilzeitlohn bei Vollzeitarbeit, unbezahlte Überstunden, falsch ausgestellte Dienstpläne, Manipulation der Aufzeichnungen, Krankenstand als Urlaubstage und zweifelhafte All-in-Vereinbarungen seien derart an der Tagesordnung, dass Betriebe mit transparenten Auszahlungspraktiken und überkollektivvertraglicher Bezahlung positiv herausstechen.
Forderungen
Die AK fordert unter anderem, die tägliche Ruhezeit wieder auf elf oder zwölf Stunden anzuheben, nachdem sie 2018 auf acht verkürzt wurde und eine Qualitätssicherung in der dualen Lehrlingsausbildung. Das AMS solle keine Arbeitssuchenden an Betriebe mit systematischen Arbeitsrechtsverletzungen vermitteln. Unternehmen sollen im ersten Monat der Arbeitslosigkeit die Kosten für das Arbeitslosengeld übernehmen, um die Praxis des kurzfristigen Kündigens und Wiedereinstellens zu unterbinden und längere Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen.
(fd/apa)