Polizeigewalt: Strafe reduziert
Anwalt: "Fatales Signal"
(20.02.2023) Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hat die erstinstanzliche Strafe für einen gewalttätigen Polizisten, der einem Demonstranten neun Stöße mit der Faust und dem Handballen versetzt hatte, deutlich abgemildert. Wie "Der Standard" am Montag berichtete, wurde der Strafberufung des Beamten Folge gegeben, der im Oktober 2021 vom Wiener Landesgericht für Strafsachen wegen Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung zu vier Monaten bedingter Haft verurteilt worden war.
Das OLG befand allerdings, das Erstgericht habe die Strafe nicht "tat- und schuldangemessen gewichtet", zitiert "Der Standard" aus der Entscheidung (18 Bs 279/22v), die mittlerweile auch der APA vorliegt. Das Ersturteil wurde aufgehoben und stattdessen eine teilbedingte Geldstrafe von 4.800 Euro (120 Tagessätze zu je 40 Euro) festgelegt, von der überdies 90 Tagessätze unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden.
Für den Wiener Rechtsanwalt Clemens Lahner, der vor Gerichten und Verwaltungsbehörden regelmäßig von Polizeiübergriffen Betroffene vertritt, handelt es sich bei der OLG-Entscheidung um "ein fatales Signal", wie er am Montag gegenüber der APA festhielt. Anstoß nahm Lahner vor allem an einem Passus im Erkenntnis, in dem ausgeführt wird, der Tathandlung des Polizisten wären "erhebliche Provokationen" seitens des Opfers "vorangegangen". Der Demonstrant habe sich seiner Festnahme widersetzt, was zwar nicht die polizeilichen Faustschläge in dessen Rücken rechtfertige oder entschuldige, "doch handelte es sich dabei mitnichten um einen Fall anlasslos brutalen Vorgehens der Exekutive", moniert das OLG.
Für Lahner sind diese Feststellungen nicht nachvollziehbar. "Erstens sehe ich nicht, welche 'erheblichen Provokationen' von dem Aktivisten ausgegangen sein sollten. Zweitens denke ich, dass ein anständiger Polizist selbst nach einer argen Provokation nicht auf einen am Boden fixierten Festgenommenen einprügeln darf. Drittens halte ich friedliche Sitzblockaden nicht für radikal", betonte der Anwalt. Die Arbeit der Polizei sei oft schwierig: "Aber wer derart auf einen Wehrlosen einschlägt, hat nichts in einer Uniform verloren."
Mit dem nunmehrigen, in Rechtskraft erwachsenen Urteil hat der inzwischen 35-jährige Polizist wohl keine gravierenden dienstrechtlichen Konsequenzen mehr zu befürchten.
(APA/CD)