Räumung von Lobau-Camp
Mutmaßlicher Polizeiübergriff?
(07.04.2022) Im Zusammenhang mit der Räumung eines Protestcamps in der Wiener Lobau dürfte es am vergangenen Dienstag zu einem Polizeiübergriff gekommen sein. Auf einem Video, das die Aktivistinnen und Aktivisten von "LobauBleibt" am Donnerstag öffentlich machten, ist zu sehen, wie mehrere Beamte einen jungen Burschen von einem Bagger ziehen, der sich mit den Füßen festzukrallen versucht. Plötzlich versetzt ein Beamter dem jungen Mann einen - auf dem Video deutlich sichtbaren - Fußtritt. Dieser verliert darauf das Gleichgewicht, fällt vom Bagger und wird von unter bzw. vor dem Bagger befindlichen Beamten "aufgefangen". Der Betroffene sei nicht nur ungesichert vom Bagger gezerrt worden, man habe ihn obendrein "mit einem Fußtritt aus über zwei Metern Höhe hinuntergestoßen", hielten die Aktivistinnen und Aktivisten in einer Aussendung fest. Der junge Mann sei "aus purem Glück" unverletzt geblieben.
"Die Räumung des besetzten Baggers wurde durch Beamte der WEGA unter größtmöglicher Schonung der Personen durchgeführt", hielt dem die Landespolizeidirektion am Donnerstagnachmittag in einer auch auf Twitter verbreiteten Medienmitteilung entgegen. Um Verletzungen vorzubeugen, hätten Beamte die Aktivistinnen und Aktivisten "bei der Bergung über die gesamte Zeit gesichert".
Amtshandlung als Video dokumentiert
Die gesamte Amtshandlung sei schriftlich als auch mittels Videos dokumentiert, betonte die Landespolizeidirektion. Die Anwendung der Körperkraft gegen das Bein eines Aktivisten sei bereits zur Überprüfung an das Referat für besondere Ermittlungen weitergeleitet worden. "Bislang wurden diesbezüglich weder Verletzungen noch sonstige Vorwürfe erhoben", hieß es in der Medienmitteilung abschließend.
"LobauBleibt" hat die Situation anders erlebt
Der zutretende Polizist habe "einfach die Geduld verloren", hatte zuvor "LobauBleibt"-Sprecherin Anna Kontriner im Gespräch mit der APA festgestellt. Bei dem Betroffenen handle es sich um einen jungen Mann Anfang 20. "Es war unfassbar, diese Szene zu beobachten. Nachdem die Person am Boden gelandet und nicht mehr aufgestanden ist, wollte ich zu ihr hin, aber das Gelände war abgeriegelt und von Polizistinnen und Polizisten umstellt", meinte Kontriner.
Aktivist im Polizeianhaltezentrum
Der junge Mann war nach dem Vorfall von der Polizei weggebracht und wegen Verwaltungsübertretungen - er hatte seine Identität nicht bekannt gegeben - bis Mittwochnachmittag im Polizeianhaltezentrum (PAZ) angehalten worden. Derzeit wird seitens "LobauBleibt" das weitere Vorgehen abgeklärt. Ob der Fall zur Anzeige gebracht wird, hängt von der Zustimmung des in Mitleidenschaft gezogenen Aktivisten ab.
Erster Vorfall schon am 19. Februar
Bereits am 19. Februar soll ein anderer Polizeibeamter mit Gewalt gegen einen Lobau-Aktivisten vorgegangen sein, der sich bei der ersten Räumung eines Camps an einen Baum gekettet hatte und schließlich weg- und ins PAZ gebracht wurde, wo er seine Identität nicht preisgeben wollte. Er widersetzte sich, als im PAZ Lichtbilder von ihm angefertigt werden sollten, indem er sich auf einer Bank sitzend einrollte, sodass sein Gesicht nicht erkennbar war. Darauf soll man den Aktivisten von der Bank auf den Boden gezerrt haben, wo er sich weiter einrollte - und dann soll ihm einer der Polizisten mit dem Knie einen Stoß in den Rücken versetzt haben.
Staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren
Bei dem Aktivisten wurde später eine gebrochene Rippe festgestellt. Wie sein Rechtsvertreter Clemens Lahner am Donnerstag gegenüber der APA bekräftigte, gibt es dazu ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, nachdem die Amtsärztin im PAZ den Rippenbruch bestätigt und der Betroffene angegeben hatte, dieser sei ihm durch einen Beamten zugefügt worden. Zusätzlich hat Lahner beim Verwaltungsgericht Wien eine Maßnahmenbeschwerde gegen das in seinen Augen mehrfach rechtswidrige Polizeivorgehen eingebracht.
(fd/apa)