Russische Gelder verwenden?
EU legt sich mit Moskau an
(18.12.2025) Neue Provokation, oder gerechtfertigte Enteignung? Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen am Donnerstag in Brüssel zu einem zweitägigen Gipfel zusammen, der als entscheidend für die Zukunft der Ukraine, aber auch der EU selbst gilt. Dominiert wird das Treffen von der Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögen für die Ukraine, die dringend Geld braucht. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sowie EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas zeigten sich zuversichtlich, dass ein Ergebnis gelingen wird.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet auf dem EU-Gipfel eine Einigung über die Finanzierung der Ukraine. "Ich werde den Rat nicht ohne eine Lösung für die Finanzierung der Ukraine verlassen", sagte sie vor Reportern. Zugleich äußerte sie Verständnis für die Position von Ländern wie Belgien. Diese fordern bei der Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte eine Teilung der finanziellen Risiken. "Ich unterstütze Belgien voll und ganz."
Belgien kann Risiko nicht allein tragen
Belgiens Regierungschef Bart De Wever hat vor dem EU-Gipfel am Donnerstag seine Forderung nach mehr Rückendeckung für die mögliche Nutzung in Belgien eingefrorener russischer Vermögenswerte für die Ukraine bekräftigt. Sein Land könne "das Risiko und die Verantwortung nicht alleine tragen", sagte De Wever am Donnerstagfrüh im belgischen Parlament. Die Vorschläge ändern sich seinen Angaben zufolge stetig. "Ich habe bisher noch keine Vorlage gesehen, der Belgien zustimmen könnte", sagte er.
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hält eine Einigung der EU-Staaten zur Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte für möglich. "Mein Eindruck ist, dass wir zu einem Ergebnis kommen können", sagte Merz vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel. Er plädierte dafür, die eingefrorenen Gelder zu nutzen. "Ich sehe keine bessere Option", fügte Merz hinzu. Er verstehe die Bedenken einiger Mitgliedstaaten, insbesondere der belgischen Regierung. Er hoffe jedoch, dass diese gemeinsam ausgeräumt werden könnten.
Tusk: Entweder heute Geld oder morgen Blut
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk rief die Europäer mit eindringlichen Worten auf, die Nutzung russischer Vermögen zu beschließen: "Wir haben jetzt eine einfache Wahl: Entweder Geld heute oder Blut morgen." Dabei gehe es nicht nur um die Ukraine, sondern um Europa, warnte Tusk indirekt vor der Gefahr eines Kriegs mit Russland. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die in Brüssel versammelten EU-Staats-und Regierungschefs zu einer Zustimmung zur Nutzung der in Europa eingefrorenen russischen Vermögenswerte auf. Er hoffe, dass beim EU-Gipfel "eine positive Entscheidung" getroffen werde, sagte Selenskyj am Donnerstag vor seiner Abreise nach Brüssel. Sollte keine Einigung erzielt werden, wäre dies "ein großes Problem für die Ukraine".
Kallas rechnet nach eigenen Angaben damit, dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf einen Kompromiss einigen werden. Bei 27 Demokratien mit verschiedenen politischen Ausgangslagen werde dies zwar nicht leicht, man habe aber schon in vielen schwierigen Situationen einen Ausweg gefunden, sagte Kallas im Deutschlandfunk. Kallas in der möglichen Nutzung russischen Vermögens kein besonders großes rechtliches Risiko für die Staatengemeinschaft.
Großteil des Vermögens in Belgien
Auch nach wochenlangen Verhandlungen zeichnete sich bisher keine Lösung ab. Immer noch ist Belgien, wo ein Großteil der russischen Vermögen bei Euroclear lagert, nicht überzeugt. EU-Ratspräsident Antonio Costa, der bisher die Gipfeltreffen auf einen Tag gestrafft hatte, kündigte bereits an, die Staatschefs im Notfall "tagelang verhandeln" zu lassen.
Rund 210 Milliarden Euro an eingefrorenem russischem Staatsvermögen liegen in der EU, der Großteil davon in Belgien. Das Land mittels Mehrheitsentscheidung zu überstimmen, gilt als keine gute Option. Denn die von allen akzeptierten Bedenken eines EU-Landes, das viele EU-Institutionen beheimatet, zu übergehen, könnte die EU in eine tiefe Krise stürzen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nimmt persönlich am Gipfel teil.
Orbán und Fico gegen russische Gelder für Ukraine
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban kündigte an, sich grundsätzlich gegen weitere Finanzhilfen für die von Russland angegriffene Ukraine zu stellen. "Geld zu geben, bedeutet Krieg", sagte der rechtsnationale Politiker, der weiter enge Kontakte nach Moskau pflegt. Er wolle keine EU im Krieg sehen. Zu dem Plan für die Nutzung von in der EU eingefrorenen Vermögenswerten Russlands für die Ukraine sagte Orban, er glaube, die Sache sei erledigt, weil es auf Spitzenebene keine ausreichende Unterstützung gebe. Die Idee, jemandem das Geld wegzunehmen, sei dumm. Wenn die EU das täte, würde sie zu einer der Kriegsparteien werden, warnte er. "Das ist ein Marschieren in den Krieg." Den Verdacht, im Interesse Moskaus zu handeln, wies Orban zurück. "Ich arbeite nur für den Frieden", sagte er.
Ministerpräsident Robert Fico
Vor dem Gipfel kündigte am Mittwoch auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico nach Angaben der Nachrichtenagentur TASR an, dass er keine Maßnahmen unterstützen werde, die zu einer weiteren Unterstützung des Krieges in der Ukraine führen, einschließlich der Verwendung eingefrorener russischer Vermögenswerte. "Ich lehne es grundsätzlich ab, morgen irgendetwas zu unterstützen, das zu Geld für den Krieg führen würde", sagte Fico. Er würde die Verwendung der eingefrorenen Vermögenswerte nur für ein Abkommen über den Wiederaufbau der Ukraine unterstützen.
(fd/apa)