Skandal um Zillertalbahn-Vorstand
Doktorarbeit abgeschrieben?
(27.06.2023) Der wegen unrechtmäßigen Führens eines Doktortitels seit 2019 unter Beschuss geratene, derzeit beurlaubte Technik-Vorstand der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG, Helmut Schreiner, hat ein weiteres Problem: Eine neue, heuer an der Universität Riga in Lettland eingereichte Doktorarbeit ist offenbar nahezu ein Komplett-Übersetzungsplagiat einer im Jahr 2020 an der Technischen Hochschule in Aachen genehmigten Dissertation.
Schreiner hat offenbar einfach kopiert und die ursprüngliche Dissertation über Mobilität im deutschen Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen ins Englische übersetzt oder übersetzen lassen, berichtete die "Tiroler Tageszeitung". Vom Inhaltsverzeichnis über den Forschungsgegenstand und die Analysen bis zu den vermeintlichen Interviewpartnern. Die deutschen Gemeinden und Städte wurden dabei mit den Orten im Zillertal ausgetauscht. In der Arbeit, die der APA vorliegt, geht es um die "Implementierung von Smart Mobility in ländlichen Regionen". Auch die Zillertalbahn als künftige "Wasserstoffbahn", als dessen Verfechter Schreiner gilt, ist Thema "seiner" Doktorarbeit.
Auf die Schliche kam Schreiner der als "Plagiatsjäger" bekannte Salzburger Kommunikationswissenschafter Stefan Weber. Dieser hatte "über Umwege", wie er sagte, ein Exemplar erhalten, nachdem Schreiner selbst die neue Dissertation aus Riga an eine Teilöffentlichkeit disseminiert habe, um seinen Anspruch auf den Doktortitel nach den ursprünglichen Vorwürfen nachzuweisen. Dabei stieß Weber auf Ungereimtheiten im empirischen Teil bei Schreiners Interviewpartnern.
"Ich habe das nahezu komplette Übersetzungsplagiat über Umwege mit der Plagiatssoftware Turnitin entdeckt", so der Wissenschafter. Das Plagiat erstrecke sich vom Inhalts- bis zum Literaturverzeichnis, urteilte Weber. Es handle sich um einen "schwerwiegenden Fall von Wissenschaftsbetrug, der alle Formen wissenschaftlichen Fehlverhaltens - Plagiat, Datenfälschung und Datenerfindung - auf einmalige Weise in sich vereint." Rund 22.000 Euro kostete laut Weber das Doktorat in Riga, das von der "University of Salzburg Business School" angeboten wird.
Vergangene Woche war bekannt geworden, dass der Technik-Vorstand der Zillertalbahn seit 2019 zu Unrecht einen Doktortitel führte. Schreiner selbst bestätigte schließlich, dass er über den Anfangsprozess für eine Dissertation zum Thema Wasserstoff an der Universität Innsbruck nicht hinausgekommen war. Gleichzeitig verwies er darauf, dass er zwischenzeitlich ein Studium an der Universität Riga abgeschlossen habe. Es fehle nur noch die Verleihung der Doktorwürde.
Der Aufsichtsrat der Zillertalbahn beurlaubte Schreiner vorerst für zwei Wochen. In der Zwischenzeit wollte man Klarheit in die Causa bringen und dann entscheiden, wie es weitergeht. Von der im Eigentum des Landes stehenden Achenseebahn wurde Schreiner als Geschäftsführer indes mit sofortiger Wirkung vorübergehend vom Dienst freigestellt.
Für Dienstag war unterdessen eine Aufsichtsratssitzung der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG anberaumt, bei der wohl eine endgültige Entscheidung in Sachen Schreiner fallen wird. Die Landes-Opposition forderte jedenfalls personelle Konsequenzen und nahm die Causa einmal mehr zum Anlass, das Projekt Zillertalbahn als "Wasserstoffbahn", für das kürzlich von der ÖVP/SPÖ-Landesregierung der Grundsatzbeschluss gefallen war, infrage zu stellen. Schreiner sei "nicht mehr länger tragbar", erklärte FPÖ-Chef Markus Abwerzger und fügte hinzu: "Wir fordern die vorläufige Einstellung sämtlicher Förderungen seitens des Landes und eine Untersuchung der Mittelverwendungen in den vergangenen Jahren." Abwerzger ortete die Gefahr, dass die Causa "Wasserstoffbetrieb der Zillertalbahn" zu einem "unermesslichen Problemfall" werden könne.
Liste Fritz-Klubobmann Markus Sint verlangte ebenfalls den Abgang des Vorstandes und ortete einen "Kriminalfall". Schreiner sei "unmittelbar und federführend" mit dem millionenschweren Wasserstoffzugprojekt der Zillertaler Verkehrsbetriebe beschäftigt und betraut gewesen. "Es sollte für den Aufsichtsrat der Zillertalbahn und für die schwarz-rote Landesregierung selbstverständlich sein, dass im Lichte des Kriminalfalls um Herrn Schreiner das millionenteure Wasserstoffzugprojekt der Zillertalbahn komplett neu zu bewerten ist", so Sint.
Grünen-Chef Gebi Mair sah einen "Dr. Schmalspur" und nahm Zillertalbahn-Aufsichtsratschef, ÖVP-Abg. und Wirtschaftsbund-Obmann Franz Hörl ins Visier, dessen "Lieblingsprojekt" die Wasserstoffbahn sei. "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht. Franz Hörls Projekt Wasserstoffbahn im Zillertal beruht von Anfang an auf einer großen Lüge", meinte Mair in einer Aussendung. "Dr. Schmalspur" Schreiner habe dem Land Tirol ein "unnötig teures Projekt unterjubeln" wollen.
Das Land hatte sich bereits vergangene Woche gegen die Vorhaltungen der Opposition verwahrt. Die Wasserstoff-Entscheidung habe einzig und allein auf unabhängigen Gutachten eines internationalen Unternehmens basiert, und nicht auf der nicht beendeten Dissertationsschrift Schreiners, hatte es geheißen.
(apa/makl)