Streik in Wien!
Kindergärten heute zu!
(24.10.2023) Es reicht, sagen heute die Elementarpädagogen und :innen. Das Personal der Wiener privaten und städtischen Kindergärten, Horte und schulischen Freizeitbetreuung hat bei einer Groß-Demonstration neuerlich bessere Rahmenbedingungen eingefordert. Tausende Menschen kamen am Vormittag im Wiener Sigmund Freud Park bei der Votivkirche zusammen, um ihre Forderungen an die Politik zu richten. "Wir sind streikbereit", so die Botschaft. Zahlreiche Kindergärten blieben in Wien am heutigen Dienstag in Folge der Proteste geschlossen.
Im Anschluss an die als öffentliche Betriebsversammlung abgehaltene Protestveranstaltung begaben sich die Demonstranten auf einen Demozug über die Ringstraße. Für den Nachmittag (ca. 13 bis 14 Uhr) haben die Gewerkschaften zu einer Abschlusskundgebung im Sigmund Freud Park geladen. "Wir brauchen dringend: mehr Zeit, mehr Raum, mehr Geld und mehr Personal!", hieß es im der Protest-Aufruf der Gewerkschaften GPA und Younion. Gekommen waren laut Gewerkschaftsangaben rund 12.000 Personen, die Polizei sprach von 8.000 bis 10.000 Teilnehmern im komplett vollen Park bei der Votivkirche.
"Ich komme wir vor wie in Woodstock, es ist unfassbar, wie viele Menschen heute hier sind", freute sich GPA Wien-Landegeschäftsführer Mario Ferrari bei seiner Rede. Die Proteste seien notwendig, denn: "Der Hut brennt leider." Er appellierte auch an die Arbeitgeber, sich "vor die Fördergeber hinzustellen und für bessere Arbeitsbedingungen einzutreten". Es sei "unerträglich geworden, unter welchen Arbeitsbedingungen ihr tagtäglich für die Kinder und für die Gesellschaft da sein müsst", sagte er zum Auftakt der Veranstaltung.
"Ohne uns keine Musik", "Schluss mit den braven Tanten" oder "Stand der Dinge, Augenringe", war auf einigen der von den Betroffenen mitgebrachten Transparenten zu lesen. Die ebenso geäußerte Forderung "Wir brauchen mehr" unterstützte auch Ferrari: "Wenn man dann immer nach der Finanzierung fragt: Ich bin nicht der Finanzminister, aber eines weiß ich, dass wir Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Steuerlast tragen. Wir treten nach wie vor für eine Millionärssteuer ein." "Wo sind die Milliarden, Herr Minister?", fragte auch der stellvertretende Vorsitzende der Younion-Wien, Manfred Obermüller, mit Blick auf die Personalknappheit. Er forderte eine "Ausbildungsoffensive und keine leeren Versprechungen". Das bisher seitens der Politik Gelieferte reiche nicht. Deshalb werde man so lange "wieder hergehen", "bis wir gehört werden", stellte er weitere Protestmaßnahmen in Aussicht.
Dass der Protest-Tag nicht der letzte sein könnte, machte auch Betriebsrätin Selma Schacht ("Bildung im Mittelpunkt", Anbieterin schulischer Freizeitbetreuung) klar: "Wir sind streikbereit", rief sie den Tausenden zu, die diesen Schlachtruf mit Sprechchören begeistert aufnahmen. Ohne bessere Rahmenbedingungen werde sich der schon jetzt akute Personalmangel weiter verschärfen, warnten die Gewerkschaften im Vorfeld des Protest-Tages. Laut der für die Gemeindebediensteten zuständigen Younion fehlen allein in den städtischen Kindergärten 600 Pädagoginnen und Pädagogen, in allen Wiener Einrichtungen seien es 1.200.
Kritik an der Regierung übte auch die Vorsitzende der Themenplattform Elementar-, Hort- und Freizeitpädagogik in der GPA, Karin Wilfingseder: Diese weigere sich in den letzten Jahren "konsequent, annehmbare Arbeitsbedingungen zu schaffen". "Aber wir bleiben so lange in der Offensive - und fordern bessere Arbeitsbedingung (...), mehr Geld, das wir brauchen, damit wir nicht 'Working Poor' bleiben - solange, bis wir uns durchgesetzt haben." Heute sei die Elementarpädagogik "Top-Thema" in der Innenpolitik. "Ihr wisst, warum wir das sind: Weil ihr alle euch nicht mehr gefallen lässt, dass ihr als 'brave Tanten' dämlich lächelnd so tut, als wäre alles OK. Nichts ist OK, uns reicht's."
Geplante Maßnahmen "nicht genügend"
Die Ankündigung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), 4,5 Milliarden Euro bereitzustellen, "das reicht uns lange nicht", wiederholte Wilfingseder die Kritik der Gewerkschaft. Diese hatte die jüngste Ankündigung zusätzlicher Mittel für den Elementarbereich durch Nehammer bzw. im neuen Finanzausgleich als nicht konkret genug bezeichnet. Es brauche Maßnahmen wie kleinere Gruppen mit mehr Personal, genug Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit, bezahlte Reflexionszeit sowie österreichweit einheitliche Strukturbedingungen, so die Forderungen. Derzeit geben die Länder die Regeln vor.
(fd/apa)