Unfall: Bester Freund stirbt
Ereignisreicher Prozess
(23.02.2024) In Wien ist es heute am Landesgericht zu einem ereignisreichen Prozess gekommen. Wegen grob fahrlässiger Tötung seines besten Freundes ist ein 21-Jähriger rechtskräftig zu 15 Monaten teilbedingter Haft verurteilt worden. Der ums Leben gekommene 19-Jährige hat dem Angeklagten am 5. Mai 2023 das Steuer seines auf 400 PS aufgetunten Sportwagens überlassen. Dieser verliert in der Leberstraße in Fahrtrichtung Landstraßer Hauptstraße die Kontrolle über das Fahrzeug, gerät ins Schleudern und prallt gegen einen geparkten Bus.
100 km/h im Stadtgebiet
Der 19-Jährige stirbt am Beifahrersitz. Kausal für den Unfall war die überhöhte Geschwindigkeit sowie das Fahrverhalten des Angeklagten, wie der verkehrstechnische Sachverständige im Grauen Haus ausführt. Der Lenker war demnach zum Unfallzeitpunkt mit 100 km/h im Stadtgebiet unterwegs. Der BMW M1 sei außerdem "nicht verkehrs- und betriebssicher" gewesen, weil das Fahrzeug mit einer nachträglich eingebauten modifizierten Motorsoftware um 90 PS nach oben gepitcht worden war. "Da ist man teilweise Passagier", sagt der Sachverständige.
Angeklagter reuig geständig
"Ich habe das Auto zum ersten Mal probiert. Ich bereue keine Sekunde in meinem Leben mehr, als dass ich mich an diesem Tag ins Auto gesetzt habe." Er habe "in der Kurve aufs Gas gedrückt", berichtet der 21-Jährige, der derzeit als Paket-Zusteller arbeitet. Eine Lehre als Automechaniker hat der Sohn eines Autohändlers abgebrochen. "Es hat mich ins Schleudern gebracht. Das Auto hat sich komplett eingedreht", berichtet der 21-Jährige. Er habe "das unterschätzt. Ich habe nicht erwartet, dass sich das Auto um die Achse dreht". Der Angeklagte leide an Flashbacks und sei in psychotherapeutischer und medikamentöser Behandlung.
Strafe ist Signal an Autofahrer
Einzelrichter Andreas Hautz verhängt über den 21-Jährigen bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren wegen grob fahrlässiger Tötung eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon vier Monate unbedingt. Den Rest bekommt der bisher Unbescholtene unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. "Das Signal muss sein: wer sich in so ein Auto setzt und 100 km/h im Stadtgebiet fährt, geht zu einem Teil sitzen", stellt der Richter in der Urteilsbegründung fest. Er bezeichnet das Schnellfahren mit aufgemotzten Autos wörtlich als "geistesgestört". Der Rechtsvertreter der Angehörigen des Getöteten hat 3.000 Euro an Begräbniskosten zugesprochen bekommen. 20.000 Euro hat die Familie des Angeklagten den Hinterbliebenen bereits Mitte Oktober an Trauerschmerzengeld überwiesen. Dem 21-Jährigen wurde auch die Weisung erteilt, seine Psychotherapie unter begleitender psychiatrischer Kontrolle fortzusetzen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig, sowohl die Staatsanwältin als auch der Verteidiger waren damit einverstanden.
"Mörder! Mörder!"
Die Verhandlung hat unter enormem öffentlichen Interesse stattgefunden. Die Familie, Bekannte und Freunde des ums Leben Gekommenen waren einem Aufruf im Internet gefolgt und ins Landesgericht gekommen. Die Hauptverhandlung wurde kurzfristig in einen Schwurgerichtssaal verlegt, wo nur ein kleiner Teil der 150 Interessierte Sitzplätze fanden. Während es während der Verhandlung im emotional teilweise aufgewühlten Auditorium ruhig geblieben ist, sind einigen Zuseherinnen und Zusehern nach der Urteilsverkündung die Nerven durchgegangen. "Mörder! Mörder", wurde dem Angeklagten zugerufen, auch etliche Schimpfwörter und Beleidigungen sind gefallen.
Polizisten müssen eingreifen
Vorsorglich hat die Vizepräsidentin des Landesgerichts, Christina Salzborn, einige Polizisten vom parallel laufenden Prozess gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz abgezogen und in den Saal gebeten. Die Beamten haben dann besonnen, aber bestimmt durchgegriffen. Sie haben eine Sperrkette zum Angeklagten und seinem Verteidiger Elmar Kresbach gebildet und haben dafür gesorgt, dass diese nicht bedrängt wurden. Etliche aus dem Publikum wollten zunächst nicht den Saal verlassen und haben mit Unmutsäußerungen ihrer anhaltenden Entrüstung über Ausgang des Verfahrens Ausdruck verliehen. Nach einigen Minuten, als allmählich Ruhe eingekehrt ist, wurde der Saal geräumt, der 21-Jährige und sein Anwalt konnten unbehelligt das Gerichtsgebäude verlassen.
Vor dem Landesgericht haben sich dann noch Dutzende Freunde und Verwandte des ums Leben Gekommenen versammelt. "Was ist das, wenn man Leute umbringt, vier Monate!" oder "Ich geh jetzt auch fahrlässige Tötung machen!" wurde gerufen. Polizeibeamte haben auch in dieser Situation dafür gesorgt, dass die aufgeladene Atmosphäre nicht weiter eskaliert ist und sich die Besucherinnen und Besucher nach 15 Minuten entfernt haben.
(EC/APA)