Pflichtarbeit in Österreich?

Hand- und Zugdienste!

(21.10.2025) In der Bodenseegemeinde Lochau wird eine Regelung wiederbelebt, die viele längst für Geschichte hielten: die sogenannten „Hand- und Zugdienste“. Jeder Haushalt soll ab dem kommenden Jahr entweder vier Stunden Gemeindearbeit leisten oder 40 Euro zahlen. Wer über 60 Jahre alt ist, zahlt die Hälfte, wer über 70 ist, ist befreit. Die Gemeinde will damit vor allem ein Bewusstsein dafür schaffen, welche Leistungen sie täglich für ihre Bürger erbringt – vom Schneeräumen bis zur Instandhaltung öffentlicher Wege. Die Rechtsgrundlage für dieses Modell stammt aus einer anderen Zeit: Das Gesetz über die Hand- und Zugdienste wurde während des Austrofaschismus in den 1930er Jahren beschlossen. Ursprünglich sollten damit Bauern, Handwerker und Arbeiter für das Gemeinwohl tätig werden – etwa beim Straßenbau oder beim Schneeschaufeln. Mit der Motorisierung und dem Ausbau moderner Gemeindeverwaltungen geriet die Regelung fast überall in Vergessenheit. Nun wird sie in Lochau bewusst wieder angewendet.

Bürgermeister Frank Matt betont auf ORF, dass es ihm nicht um Strafen oder Zwang gehe, sondern um Solidarität und Beteiligung: „Die Menschen sollen sehen, was eine Gemeinde leistet und was es bedeutet, Straßen und Wege zu erhalten.“ Das Geld oder die Arbeitsstunden fließen direkt in Projekte vor Ort.

Passt nicht mehr in die heutige Zeit

Gleichzeitig sorgt die Entscheidung für politische Diskussionen im Land. Die SPÖ und die Grünen auf Landesebene fordern die vollständige Abschaffung des alten Gesetzes, da es nicht mehr in die heutige Zeit passe. Andere Bürgermeister – etwa in kleineren Gemeinden des Bregenzerwalds – sehen das anders: Dort sind solche Pflichtarbeiten gelebte Praxis. Viele Bürger helfen freiwillig bei Aufräumaktionen oder beim Instandsetzen von Wanderwegen.

Bevölkerung machts dennoch gerne!

Auch in Bartholomäberg sind diese Dienste längst Alltag. Dort müssen die Einwohner in diesem Jahr sogar acht Stunden arbeiten oder 105 Euro bezahlen. Viele entscheiden sich bewusst fürs Mithelfen. „Wenn man’s nicht macht, bleibt alles liegen“, sagen Bewohner dem ORF, die ihre Pflicht als Beitrag zum Zusammenhalt sehen.

Zwischen Bürgerpflicht und Freiwilligkeit

Im November will der Vorarlberger Landtag über die Zukunft des Gesetzes beraten. Es geht dabei nicht nur um die Frage, ob eine historische Regelung noch zeitgemäß ist, sondern auch darum, wie Gemeinden künftig ihre Infrastruktur finanzieren können. Lochau ist damit zum Symbol einer breiteren Debatte geworden – zwischen Tradition und Moderne, zwischen Bürgerpflicht und Freiwilligkeit.

(fd)

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