Baby zu Tode geschüttelt
Haftstrafen bestätigt
(25.01.2022) Im Prozess um ein laut Anklage vom Vater vorsätzlich zu Tode geschütteltes Baby sind am Montagabend am Wiener Landesgericht die Urteile gefallen. Der 32 Jahre alte Vater wurde mit 6:2 Stimmen wegen Mordes an seiner elf Wochen alten Tochter zu 17 Jahren Haft verurteilt. Die um neun Jahre jüngere Mutter, der Mord durch Unterlassung vorgeworfen worden war, wurde von den Geschworenen sogar einstimmig im Sinne der Anklage schuldig erkannt. Sie bekam 14 Jahre Haft.
Vater wird eingewiesen
Das Schwurgericht wies den Vater zusätzlich in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein. Nach Rücksprache mit seiner Verteidigerin Christa Scheimpflug akzeptierte der 32-Jährige das Urteil und suchte um Verbüßung seiner Strafe im Maßnahmenvollzug in der Justizanstalt Mittersteig an. Der Verteidiger der Mutter, Timo Gerersdorfer, ersuchte um Bedenkzeit. Staatsanwältin Anna-Maria Wukovits gab zu beiden Urteilen keine Erklärung ab. Sie sind daher nicht rechtskräftig.
Strafrahmen
Beide Angeklagte - der Vater hatte in der zweitägigen Verhandlung dreimaliges Schütteln des Babys zugegeben, aber den Tötungsvorsatz bestritten, die Mutter entgegen ihrer Darstellung vor der Polizei und der Haft- und Rechtsschutzrichterin geleugnet, die Gewalttätigkeiten ihres Partners gesehen zu haben - verfolgten die Urteilsverkündung emotionslos und blieben auch ruhig, als die vorsitzende Richterin das Strafausmaß bekannt gab. Bei einer Strafdrohung von zehn bis 20 Jahren oder lebenslang setzte es für beide trotz bisheriger Unbescholtenheit Sanktionen im oberen bzw. mittleren Bereich des Strafrahmens.
Erschwerende Umstände
Beim Vater fielen die qualvolle Begehung, die Hilflosigkeit des Opfers sowie "die außerordentlich hohe Gewalt" erschwerend ins Gewicht, wie Richterin Nicole Baczak erläuterte: "Kinder sind nicht zu schütteln. Genau das soll diese Strafe bedeuten." In Richtung der Mutter bemerkte Baczak, die verhängte Strafe sei aus generalpräventiven Gründen nötig, um klar zu machen, "dass Mütter, wenn sie von Misshandlungen ihrer Kinder erfahren, einschreiten müssen".
Geständnisse
"Ich hätt's nicht tun sollen", hatte der 32-Jährige zu Beginn des zweiten Verhandlungstags im Großen Schwurgerichtssaal geschluchzt, "es vergeht kein Tag, an dem ich mir nicht Vorwürfe mache. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht die Zeit zurückdrehen möchte. Ich hab' sie geliebt." Er habe nach der Geburt der Tochter diese drei Mal geschüttelt, weil sie weinte und er sie beruhigen habe wollen. Beim dritten Mal - am 4. Juni 2021 - sei er heftiger als die beiden vorangegangenen Male vorgegangen: "Deshalb wird's wahrscheinlich auch so rausgekommen sein, dass sie Schäden erlitten hat."
Details
Laut Anklage starb das Baby am 12. Juni auf der Intensivstation eines Wiener Spitals an einer traumabedingten Sauerstoffunterversorgung des Hirns. Die Wachstumsfuge war eingerissen, die Hirnverletzungen waren irreparabel. Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp hatte beim Prozessauftakt am vergangenen Mittwoch dazu erklärt, ein jeweils fünf bis zehn Sekunden langes, zehn bis 30-maliges Schütteln - laut Klupp ein "körperlich anstrengender" Vorgang - sei Voraussetzung für ein Schüttel-Trauma.
Die 23-jährige Mutter hatte laut nicht rechtskräftigem Urteil weggeschaut, obwohl sie das Schütteln mitbekam. Wie die Richterin in der Urteilsverkündung erklärte, wäre sie verpflichtet gewesen, "etwas zu tun" und hätte "die Kriminalpolizei, die Rettung oder das Jugendamt anrufen müssen".
Ihr Ex-Partner hatte sie in der Verhandlung insofern belastet, als er angab, sie habe beim dritten Mal "die letzten zwei Sekunden gesehen". Er wolle aber nicht, "dass sie büßen muss", weil sie "nichts getan" habe.
"Außer dem Schütteln habe ich meiner Tochter nichts angetan", gab der Vater zu seinem eigenen Verhalten an. Und weiter: "Andere Sachen habe ich bei ihr nicht gemacht. Würde ich auch nie." Er habe der Kleinen "nicht absichtlich" wehgetan, denn er habe "sonst alles gemacht, dass es ihr gut geht", bekräftigte er: "Ich hab' sie oft gefüttert, genommen, gewickelt, geschaut, dass sie ihre Vitamin D-Tropfen bekommt." Er habe "immer Papa werden" wollen, "deswegen ist das so schrecklich".
(fd/apa)